Neue Spekulationen über "Arctic Sea": Rätselraten geht weiter

Der angeblich entführte Frachter soll russische Raketen an Bord gehabt haben. Israels Geheimdienst Mossad wusste von dem Deal. Russischer Seefahrtsexperte flieht nach Morddrohungen.

Immer noch ist unklar, was wirklich auf der Arctic Sea geschah. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Die "Arctic Sea" hatte hochmoderne russische Raketen an Bord. Damit diese ihren Zielort Iran oder Syrien nicht erreichen konnten, startete der israelische Geheimdienst Mossad die mysteriöse Piratenaktion. So lautet die neueste Spekulation über das Geheimnis des angeblich in der Ostsee gekaperten "Geisterfrachters".

Es war die israelische Webzeitung YNet, die in der vergangenen Woche als Erste wissen wollte, die "Arctic Sea" hätte Boden-Luft-Raketen des Typs S-300 an Bord gehabt. Von einer russischen Mafia seien diese bei einem Werftaufenthalt des Schiffes in Kaliningrad an Bord versteckt und für den Iran oder Syrien bestimmt gewesen. Der Mossad habe Moskau über diesen Deal informiert, worauf Moskau das Schiff gekapert habe. Die Geschichte ist allein schon deshalb unwahrscheinlich, weil kaum ein Grund ersichtlich wäre, warum die vermeintlichen Piraten im Auftrag Moskaus dann den Kurs der "Arctic Sea" in den Atlantik hätten fortsetzen sollen.

Am Sonntag machte die Londoner Sunday Times unter Bezug auf "russische militärische Quellen" daher auch mit einer anderen Version dieser Geschichte auf: Die angeblichen Piraten hätten im Auftrag des Mossad gehandelt. Öffentliche Aufmerksamkeit sollte auf die "Arctic Sea" gelenkt werden, um Russland, das man vom Waffenschmuggel informiert habe, zu zwingen, militärisch einzugreifen und einen Vorwand für die angebliche Antipiratenaktion zu liefern.

Auch diese Version hat eine Schwäche: Die acht von Moskau präsentierten "Piraten" russischer Herkunft mit Wohnsitz in Estland und Lettland sind Kriminelle, die teilweise gerade auf Bewährung aus der Haft entlassen worden waren. Sollte Mossad sich solch unsicheren Personals bedient haben?

Moskaus offizielle Version einer Piratenaktion mit Lösegelderpressung bezeichnet die Sunday-Times-Quelle mit angeblichem Einblick in das russische Ermittlungsverfahren als "lächerlich": "Für eine Holzladung hätte man nie diesen militärischen Aufwand betrieben." Diese Einschätzung hatte der russische Seefahrtsexperte Michail Wojtenko sofort vertreten. Eigenen Angaben nach erhielt er Morddrohungen, die ihn letzte Woche zur Flucht in die Türkei zwangen.

Und die "Arctic Sea"? Sie ist auch nach Übernahme des Kommandos durch die russische Marine unsichtbar. Das automatische Schiffsüberwachungssystem an Bord ist weiter ausgeschaltet. Laut finnischer Reederei ist sie derzeit im Atlantik vor den Kanarischen Inseln mit Kurs auf das Mittelmeer unterwegs.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.