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Archiv-Artikel

SPD misstraut sich selbst

Genossen grummeln gegen Wolfgang Jüttner: Dem niedersächsischen Fraktionschef fehle es an Statur

Von ksc

„So bekloppt kann ich doch nicht sein“, sagt Wolfgang Jüttner und meint damit die Gerüchte, der niedersächsische SPD-Fraktionschef habe beim Parteitag mit „Listen“ oder per SMS gegen die Wahl seines Vorgängers Sigmar Gabriel und des neuen SPD-Landeschefs Garrelt Duin in den Bundesvorstand intrigiert. Nachdem Gabriel im ersten Wahlgang in Karlsruhe gescheitert war, hatte er sich zurückgezogen, damit Duin, der derzeit als Hoffnungsträger gehypt wird, doch noch durchrutschen kann. Was bleibt, ist laut Jüttner eine „Misstrauenskultur“ in der niedersächsischen SPD. Für seine innerparteilichen Gegner, und davon gibt es in letzter Zeit immer mehr, bleibt die Feststellung, dass der einstige Landesumweltminister binnen kurzer Zeit zweimal auf Bundesebene patzte.

Am „Münte-Montag“, als der große Vorsitzende seinen Rückzug von der Parteispitze ankündigte, war Jüttner schon bei einem Tischtennisturnier seines Kreisklasse-Vereins VfL Hannover „nicht in Form“ gewesen. Viel fataler war jedoch, dass Jüttner zuvor in alle sich ihm in den Weg stellenden Mikrofone geplärrt hatte, Andrea Nahles solle SPD-Generalsekretärin werden. Daraufhin hatte es nicht wenige Stimmen in der heimischen SPD gegeben, die dem gelernten Soziologen die Statur absprachen, bei der Landtagswahl 2008 gegen den Umfragekönig Christian Wulff anzutreten.

Über jüttnerische Beißhemmungen rumorte es in er Fraktion nach dem letzten Landtagsplenum, als der es vorgezogen hatte, Wulff wegen seiner Haltung im VW-Aufsichtsrat nicht anzugreifen. Seit dem Abgang von Fraktionschef Gabriel nach Berlin herrsche ein zu Aggressivitäts-Vakuum, finden viele. Dass Jüttner Traute und Macht besitzt, die seit Ewigkeiten währenden Streitigkeiten zwischen den SPD-Bezirken zu kitten, erwartet ohnehin keiner. Die Achse Jüttner (Hannover)–Duin (Weser-Ems) will zwar künftig durch regelmäßige Konsultationen die Streithälse besänftigen. Aber das „Misstrauen“ zwischen den Bezirken Weser-Ems, Hannover und Braunschweig ist eine uralte Geschichte. „Die Kleinen glauben immer, sie werden über den Tisch gezogen“, sagt Jüttner, der auch dem größten Landesbezirk Hannover vorsteht. Erstmals habe Gerhard Schröder die Niedersachsen-SPD befriedet, als er 1984 auf dem Oldenburger Bahnhof mit dem ostfriesischen Strippenzieher Johann Bruns die Aufteilung der Macht auskungelte: Der Hannoveraner übernahm den Fraktionsvorsitz, der Mann aus Weser-Ems wurde fortan Parteichef.

Die Netzwerker hätten angeblich eine „Liste“ gemacht, sagt der Parteilinke Jüttner – und meint damit, dass der Kreis um Gabriel und den Generalsekretärs-Novizen Hubertus Heil wohl in Karlsruhe gegen ihn gestimmt hätten. So wird das mit der Geschlossenheit nie was. ksc