: Wildtiere zur Zukunftssicherung
Ein südafrikanisches Dorf verzichtet auf ein Stückchen Land und profitiert dafür von einer Luxuslodge. Im angrenzenden Nationalpark werden einst vertriebene und gejagte Tiere zur Einnahmequelle für die Dorfbewohner. Ein Besuch in der Gemeinde Lakgophung
von THOMAS HEINLOTH
Man hört es manchmal nachts, das Heulen der Hyänenhunde, wölfisch, wenn sie ein Impala jagen, die Trompetenstöße der Elefantenbullen und das Gebrüll der Löwen, ein Gänsehautkonzert von wilden Tieren, das der Wind manchmal bis nach Lakgophung und in die anderen Dörfern rund um den großen Zaun trägt.
Meist kommt er von Nordost. Eine stete Brise, die die rostbraune Erde von der Straße an die unverputzten Häuser bläst. In Lakgophung liegt alles unter einer pistenfarbenen Patina, die Wellblechklos und die Kakteen, die Autowracks, sogar die müden Esel. Ein Ort im Busch, ein paar Dutzend dahingestreute Baracken zwischen struppigem Savannengras, das Zuhause für rund tausend Menschen, im Nirgendwo kurz vor der Grenze zu Botswana. Ein Ort, der einen illusionslos macht und nichts verspricht. Und doch haben sie hier große Pläne, seit die Hyänenhunde heulen und sie alle hier Hotelbesitzer sind.
Der Gemeinde Lakgophung gehört seit zehn Monaten die Buffalo Ridge Lodge im nahe gelegenen Madikwe Park: Die verchromten Armaturen im Natursteinpool, die edlen Ledermöbel in der Lobby, die Aussichtsdecks an jedem der acht Pavillons, die verglasten Badezimmer, von denen man beim Duschen bis nach Botswana sehen kann, so steht es im Vertrag mit der Regierung.
Fast acht Jahre ist es her, als ein Regierungsvertreter das erste Mal das ganze Dorf in die Schule bestellte, um ein Angebot zu machen: Der Ort verzichtet auf ein Stückchen Land, das irgendwann in den Madikwe-Nationalpark eingegliedert werden soll. Dafür darf er am Geschäft mit dem Park und seinen wilden Tieren mitverdienen, als Eigentümer einer neuen Luxuslodge. Die betreibt fürs Erste eine Managementgesellschaft und führt zehn Prozent der Einnahmen an das Dorf ab, egal ob die Lodge Gewinn macht oder nicht. Nach frühestens zwei und spätestens zehn Jahren soll die Gemeinde allein wirtschaften.
Lange haben sie im Dorf darüber nachgedacht und schließlich Ja gesagt. Jetzt stehen die acht Pavillons, der Pool, das große Dinnerdeck, die ersten Gäste sind gebucht und Lakgophung arbeitet hart an seinem neuen Tourismusprojekt. Insgesamt 23 Leute aus dem Ort fahren jeden Tag zur Arbeit in die Lodge, und sie haben viel gelernt: Was ein Shiraz ist, wie man Fisch serviert, wo in einem gut gemachten Bett das Kissen liegen muss, wie man Nashornspuren liest.
Die meisten Parkbewohner kannte Godfrey wie auch die anderen in Lakgophung bislang nur aus der Schule. Elefanten, Nashörner und Giraffen sind aus dem Nordwesten Südafrikas längst verschwunden, geflohen vor den Jägern, vertrieben von den Farmern. Auch auf Madikwes kargen Hügeln grasten lange nur Rinder, bis man einsah, dass Touristen lukrativer sind. 1991 kaufte die Provinzregierung den Farmern ihr Land ab, riss hunderte Kilometer Viehzaun ab, zog stattdessen einen viereinhalb Meter hohen Elektrozaun um ein 60.000 Hektar großes Areal und kaufte ein: 227 Elefanten, 163 Giraffen, 10 Nilpferde, 12 Löwen und rund 8.000 weitere wilde Tiere.
„Operation Phoenix“ hat man die Umsiedlungsaktion genannt, eine der größten ihrer Art. Monatelang fuhren die Schwertransporter von Nationalparks in Namibia und Simbabwe nach Madikwe, um ihre meist mit viel Beruhigungsmitteln abgefüllte Fracht in ihrer neuen Heimat auszusetzen. Godfrey Rampopo stand damals oft am Zaun und sah zu, wie sie die Elefantenbullen aus Containern gewuchtet haben: „Ich dachte nur: Hoffentlich hält der Zaun.“ Heute kann er am Dung eines Elefanten erkennen, wann er hier war und ob das Tier gesund ist. Godfrey weiß, an welchem Wasserloch die Löwen stehen, und Godfrey riecht es, wenn eine Hyäne in der Nähe ihre Beute aufbricht. Als es losging mit der Lodge, hat er sich sofort beworben. „Klar“, sagt er, „das ist ein cooler Job, aber es ist noch mehr: Hier kann ich was für meine Leute tun. Die Lodge, das ist unsere Zukunft.“
Im August hat Lakgophung zum ersten Mal einen Anteil aus den Einkünften der Lodge bekommen, 40.000 Rand, rund 5.300 Euro. Die Schule soll davon einen neuen Anstrich bekommen, die nächste Rate geht an die kleine Krankenstation, und, wer weiß, vielleicht reicht es irgendwann für ein Gemeindehaus. Dafür ist Godfrey Tag für Tag in einem offenen Landrover unterwegs und bringt zahlende Gäste in den Busch. „Am liebsten abends“, sagt er, „die Stunde, bevor die Sonne untergeht.“
Dann wird das Buschland von Madikwe dunkelgelb, und aus den Schatten der Akazien lösen sich Gnus, Antilopen und Giraffen. Eine Prozession in Richtung Wasserloch, wo sich eine Großfamilie Elefanten vom Staub eines langen Tages befreit. Die Nacht kommt schnell, und Godfrey schaltet einen Suchscheinwerfer ein. Der Lichtkegel tanzt durchs Unterholz, fängt ein paar Katzenaugen ein. Nur einen Meter vom Wagen entfernt kauert ein Leopard und fixiert mit hochgezogenen Lefzen das mattgrün lackierte Metalltier auf der Straße, bis er sich nach drei, vier langen Minuten wieder trollt, lautlos.
Im Wagen werden feuchte Hände langsam trocken. Die einen machen bei den „Big five“ ein Häkchen hinter „Leopard“, die anderen sehen nach oben und zählen die Sterne im Himmel über Afrika. Und einer fragt: „Godfrey, wie viele Ausflüge zu den Leoparden sind, so ungefähr, ein neues Klassenzimmer oder ein Gemeindehaus?“ Und Godfrey lacht und sagt: „Ich weiß es nicht.“ Dann fängt er an zu rechnen.
Unterkunft: Eine Nacht im Doppelzimmer kostet in der Buffalo Ridge Lodge derzeit 1.950 Rand, etwa 250 Euro, eingeschlossen sind alle Mahlzeiten und zwei Safari-Trips.Auskünfte: South African Tourism, (0 69) 9 29 12 90 oder www.southafricantourism.deDie Nordwestprovinz ist (englischsprachig) zu erreichen unter www.tourismnorthwest.co.za