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Archiv-Artikel

Der Mann für den ersten Auftritt

ENTDECKER Ran Huber ist einer der unermüdlichsten Ein-Mann-Konzertveranstalter Berlins, der vielen Künstlern den Weg gebahnt hat. Heute feiert seine Konzertreihe am STARt im Ballhaus Ost ihren zehnten Geburtstag

VON TIM CASPAR BOEHME

Klingt wie Folklore: Ein Berliner Konzertveranstalter auf dem Weg in sein Büro steigt am Rosa-Luxemburg-Platz aus der U-Bahn, hört eine Musikerin auf dem Bahnsteig spielen, ist so begeistert, dass er gleich eine CD von der jungen Schwedin kauft. Oben landet das Demo sofort im CD-Spieler und begeistert ihn noch mehr, also rennt er zurück in die U-Bahn-Station und holt sich die E-Mail-Adresse der Sängerin.

Der Konzertveranstalter heißt Ran Huber, die Musikerin nennt sich Kristina Hanses. Huber, bekannt geworden mit der Konzertreihe am STARt, begeht heute Abend im Ballhaus Ost den zehnten Geburtstag seines Programms. Unter den Künstlern, die mit ihm feiern, ist auch seine Entdeckung aus der U-Bahn. „Ich habe sie halt eingeladen“, so Hubers Kommentar. Auf das Konzert ist er selbst gespannt.

Geschichten wie diese passen zu Ran Huber. Seit dem 5. März 1999, dem ersten Konzert von am STARt, geht er bei der Auswahl seiner Künstler vor allem nach Sympathie. Zu ergänzen wären Leidenschaft, Entdeckergeist und sehr viel Spaß am Ganzen. Anders könnte man ein Programm wie am STARt mit vier bis acht Konzerten im Monat als Ein-Mann-Betrieb auch gar nicht durchstehen.

Was Neues nach der Schule

„Letztendlich ist am STARt aus dem Geist und Idealismus der Neunziger entstanden, die ich Gott sei Dank zum großen Teil hier in Berlin verbringen durfte. Das ist etwas, das so nie wiederkommt.“ Als Huber im Jahr 1993 nach Berlin kam, war er offiziell noch damit beschäftigt, Französisch und Philosophie zu studieren. Richtig glücklich gemacht hat es ihn aber nicht. „Ich fand die Uni schrecklich, die Leute, die Atmosphäre. Ich dachte, da kommt was Neues nach der Schule. Aber es war noch viel schlimmer.“

Deshalb eröffnete er lieber die Buegelbar in der Auguststraße oder lernte bei einem Praktikum in München die Grundlagen multimedialer Computertechnik – und entdeckte seine Freude an der Zusammenarbeit mit anderen. Dass er wenig später im Alleingang mit am STARt beginnen sollte, findet er im Rückblick etwas „schizo“.

Berlin war für den in Bayern geborenen Huber seit der Jugend großes Wunschziel, während der Achtziger kam er immer wieder in die geteilte Stadt.

Zu Beginn fanden Hubers Konzerte in der Maria am Ostbahnhof statt, darunter Highlights wie ein Konzert der urwüchsig reduktionistischen Finnen Pan Sonic oder ein Abend mit den Bands Chicks on Speed, Super_Collider und Kissogram. Nach und nach wechselten die Auftrittsorte, spät kam der Westen der Stadt hinzu. Mittlerweile sind der Festsaal Kreuzberg oder das benachbarte West Germany Stammadressen. Seit kurzem veranstalter er regelmäßig Konzerte im Ballhaus Ost und in den Sophiensælen.

Bis heute arbeitet Huber hauptsächlich mit Bands, die noch nicht bekannt sind oder gerade dabei, bekannt zu werden. Ein gewisses Sendungsbewusstsein will er nicht ganz ausschließen. „Retrospektiv ist es immer schön zu sehen, was aus Künstlern geworden ist, dass man so ein Näschen dafür hatte.“ Als Jamie Lidell zum Beispiel noch nicht den Admiralspalast bespielte, trat er bei am STARt auf.

Keimzelle für Indietronic

Besonders stolz ist Huber auf ein Konzert mit Schneider TM, Lali Puna und Ms. John Soda. „Das waren bei fast allen die ersten Auftritte. Es ist Wahnsinn, wenn man sieht, was aus den Bands geworden ist. Eigentlich sind sie eine der Keimzellen für das, was man Indietronic getauft hat.“

In diesem Jahr waren unter Hubers Kandidatinnen für den Durchbruch die medienumwirbelte Soap & Skin und die Schweizer Sängerin Sophie Hunger, mit denen er je zwei Konzerte organisierte. Wenn es nach ihm ginge, könnten es durchaus mehr werden. „Es ist nicht üblich, dass ich Künstler lange begleite. Wenn die so groß werden, bin ich erst mal raus.“

Zur heutigen Geburtstagsfeier im Ballhaus wird als ein Höhepunkt die Britta-Sängerin und Autorin Christiane Rösinger zu hören sein, die Lieder aus ihrem für 2010 angekündigten Soloalbum vorstellt. Für Huber, mit Rösinger seit langem befreundet, ist dieses Geburtstagsgeschenk eine große Ehre. Zudem wird die Veröffentlichung der Antifolk-Compilation Berlin Songs Volume 3 zelebriert, auf der Bühne vertreten durch das Berliner Duo Lonski & Classen und den indonesischen Songwriter Tomi Simatupang. Dann ist da noch ein Überraschungsgast mit dem Tarnnamen Aschamal Lerk. Nur so viel vorab: Die Musikerin dürfte dem Berliner Publikum weitgehend bekannt sein.

■ 10 Jahre am STARt. Mit Christiane Rösinger, Lonski & Classen, Tomi Simatupan u. a., heute im Ballhaus Ost, 21 Uhr; Berlin Songs Volume 3 (www.berlinsongs.com)