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Politikwissenschaftler über Elternzeit"Männer sollten sich als Väter outen"

Für seine Studie "Väter und Erziehungszeiten" befragte der Politikwissenschaftler Patrick Ehnis Väter und Betriebe zu Elternzeit, Elterngeld und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

"Die Zahl der Frauen, die ihren Männern den Rücken freihalten, wird abnehmen." Bild: ap
Interview von Kendra Eckhorst

taz: Herr Ehnis, immer mehr Väter machen Elternzeit. Kann von "neuen Männern" gesprochen werden?

Patrick Ehnis: Es gab keinen Kampf emanzipativer Männer, lediglich wurde das Elterngeld neu geregelt. Trotzdem kann ein reges Interesse an einer aktiven Vaterschaft ausgemacht werden, auch deshalb, weil Frauen ihre Positionen verändert haben. Heute nehmen über 70 Prozent der Väter eine Elternzeit, allerdings nur eine zweimonatige, die gleich nach der Geburt oder nach dem ersten Jahr beginnt.

Dennoch endet, Ihrer Untersuchung zufolge, eine gleichberechtigte Arbeitsteilung mit der Geburt des Kindes. Warum?

Vielfach geschieht dies gegen den Willen der Paare, da es weder eine gesellschaftliche Organisation von Arbeit noch von Kindererziehung gibt, die Eltern eine Vollzeitstelle ermöglicht. Hier treten dann geschlechtsspezifische Benachteiligungen zutage, wie die schlechtere Bezahlung von Frauen und der für sie notwendigen Elternzeit, die für Väter freiwillig bleibt.

Erleben Männer die Elternzeit als Statusverlust?

Zum Teil. Einerseits beschreiben sie die Zeit mit dem Kind als intensive und wertvolle Erfahrung. Andererseits empfinden sie die Haushaltsarbeit als wertlos und körperlich anstrengend. Zudem müssen sie ihre Kompetenz stärker unter Beweis stellen, ähnlich wie es Frauen in Führungspositionen beschreiben. Auch fehlt den Männern die Anerkennung über Geld.

taz
Im Interview: 

Das Interview ist der aktuellen vom 19./20. Dezember entnommen - ab Sonnabend gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.

Ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Thema für Männer?

Es wird ein Thema werden. Auch für traditionell eingestellte Väter. Hohe Arbeitsanforderungen beißen sich mit dem Wunsch, das Kind zu erleben. Die Zahl der Frauen, die ihren Männern den Rücken freihalten, wird abnehmen. Eine Diskussion über Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte nicht nur die Erwerbsquote von Frauen thematisieren, sondern auch die Perspektiven von Vätern - und damit eine gleichberechtigte Arbeitsteilung.

Wie können Elternzeit und befristete oder prekäre Jobs vereinbart werden?

Prekäre und flexibilisierte Arbeitsverhältnisse bieten generell keine langfristigen Perspektiven und so auch nicht für Elternzeiten. Die befristeten Jobs könnten um die Elternzeit verlängert werden, so dass nicht die Frauen arbeitslos werden. Väter machen überwiegend Elternzeit, wenn sie eine gesicherte Position haben, die weder ganz unten noch ganz oben ist.

Sollten Männer im Vorstellungsgespräch nach ihren Kinderwünschen befragt werden?

Nein, das geht den Arbeitgeber nichts an. Allerdings sollte es analog zur Mutterschutzzeit eine Vaterschaftszeit geben und Männer sollten sich im Betrieb als Väter outen.

Am Ende des Buches kritisieren Sie die derzeitige Familienpolitik. Erreicht das die Familienministerin?

Bestimmte Forderungen wie das Teilelterngeld, dass beiden Partnern eine Teilzeitarbeit und Elternzeit über einen längeren Zeitraum ermöglicht, wird auch an anderen Stellen diskutiert. So kann die Lücke in der institutionellen Kinderversorgung geschlossen werden. Aber Themen jenseits der Familienpolitik wie Steuer- und Arbeitszeitpolitik und sozialer Ausgleich werden wohl nicht wahrgenommen.

Patrick Ehnis: "Väter und Erziehungszeiten - Politische, kulturelle und subjektive Bedingungen für mehr Engagement in der Familie". Ulrike Helmer, Sulzbach 2009, 320 S., 29,90 Euro

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3 Kommentare

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  • V
    Vollblutvater

    Es liegt doch primär an der Politik endlich für Gleichberechtigung zu sorgen und auch der Wirtschaft neue Rahmenbedingungen vorzugeben.

     

    Viele Väter würden gerne aktive Elternzeit in Anspruch nehmen, aber es ist auch klar, dass man davon Abstand nimmt, wenn man dadurch den Job verliert bzw. finanzielle Nachteile hat. Die Wirtschaft müsste sich endlich wirklich auf Familien einstellen und auch darauf, dass Väter genauso Vaterzeit in Anspruch nehmen sollen.

     

    Aber leider bringt es der Wirtschaft nunmal Vorteile, wenn bei Kindern primär die Mütter zuständig sind. Somit bleiben u.a. familienbedingte Ausfallzeiten besser kalkulierbar.

     

    Man merkt aber, dass aktive Vaterschaft immer mehr zum Thema wird und das zeigt mir, dass es wirklich so etwas wie ein langsames Umdenken gibt. Es wird aber sicher noch ein langer Weg, bis es quasi selbstverständlich ist, dass auch Väter die gleichen Rechte bei Kindern haben.

    Es gibt bereits viele Vereine, die sich speziell den Väterrechten angenommen haben und jetzt auch eine neue Website www.freshdads.com, die aktive Vaterschaft ins Bewusstsein holt.

  • G
    Gockeline

    Ich habe mit solchen Vätern gesprochen die in die Väterpause gegangen sind.

    Alle berichten von großen Problemen.

    Große Erwartungen von den Frauen an den Mann.

    Verachtung der Väter die nie in die Väterpause gehen würden.

    Und große Probleme bei der Berufsrückkehr.

    Die meisten sagten,sie würden es nie wieder tun.

    Der einzige Vorteil sahen sie,dass sie eine engere Bindung zum Kind hatten als die Mutter.

    Sogar zu Eifersuchtsszenen kam es zwischen den Eltern und den Kindern.

    Und die Väter hatten ein anderes Bild was Frauen zu Hause leisten müßen.

    Der Respekt für diese Frauen war auf einmal größer.

  • MB
    Michael Baleanu

    "Männer sollen sich als Väter outen". Was genau soll das heissen? Als ich vor gut einem Vierteljahrhundert die Windeln meiner beiden Söhne gewechselt und sie gefüttert hatte, habe ich mich damals als Vater geoutet?

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    Was hat ein Mann und Vater denn davon?

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    Bei Scheidung und Trennung frägt kein Schwein, ob der Vater überhaupt die Kinder betreut hat! Es gibt kein Windelwechselbonus für den Vater! Den hat nur die Frau! Sie muss nur einmal kurz die Augen vor dem Richter rollen und über die Dreifachbelastung bei ganztäglicher Fremdbetreuung der Kinder jammern (siehe BGH Pressemitteilung Nr. 139/2008 vom 17.07.08) und schon ist der böse Pappa aus allen Wolken gefallen.

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    Die Wenigsten dieser Väter werden die Reibungswärme, die beim Ziehen überm Wickeltisch durch Justiz, Anwaltschaft und restlichen Professionen entsteht, als Nestwärme empfinden.

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    Wie realitätsfremd kann man denn nur sein, zu glauben, dass man als Mann und Vater bei dieser Justiz, die nun im Monatstakt eine Klatsche nach der anderen aus Straßbourg erhält, jemals die Anerkennung erhalten wird, die eine Mutter laut Art. 6, Abs.4 GG automatisch hat?

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    Mann, Du bringst keine Kinder auf die Welt, Du trägst sie nicht aus, also hast Du auch keinen Anspruch auf "den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft". Du kannst Dich noch so outen, Du bist nicht so wertvoll, dass man Dein Recht auf Dein Kind achtet.

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    Du hast nur zu zahlen! Das ist Dein verbrieftes Recht. Solltest Du vielleicht Probleme haben, die auch nur im Entferntesten an einer Depression erinnern, dann kannst Du gar nicht so schnell hingucken, wie Dir Dein Sorgerecht genommen wird.

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    Erzähle ich vielleicht einen Schmarrn? Dann mal schnell nach Robert Enke und seiner Angst davor, dass das Jugendamt ihm die Adoptivtochter wegnimmt, googeln.

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    Dass der Gesetzgeber den Vätern mehr Elternzeit gewähren will ist gar nicht so schlecht. Die damit bezweckten gesellschaftlichen Änderungen werden sich aber niemals einstellen, so lange Richter im Amt bleiben, die noch im Geiste des 19. Jh. urteilen: Mann=Ernährer (also nicht in der Lage Kinder zu erziehen), Frau=Heimchen am Herd.