Konstanz-Tatort im Ersten: Keine Dose Bohnen
Die Adaption eines wilden Westerns missglückt der ARD gründlich. Der Konstanzer Tatort besticht durch abstruse Handlungen und Kommunikationsdesaster. (So, 20.15 Uhr, ARD)
Der Bandit sitzt siegesgewiss mit Handschellen auf der Rückbank. Bald werden ihn seine Kumpane, die den Gefangentransport verfolgen, befreit haben. Es geht über verschneite Pässe und durch unebenes Gelände. Hilfe für die überforderten Gesetzeshüter ist nicht in Sicht. Das Büro des nächsten Sheriffs befindet sich meilenweit entfernt und die Verfolger greifen zu äußerst brutalen Methoden, um ihren "partner in crime" den Händen des Gesetzes zu entreißen.
Nein, die Rede ist hier nicht von einer Gefangenen-Eskorte durch die Rockys im vorletzten Jahrhundert, sondern von der Überführung eines dingfest gemachten Waffenhändlers aus der Schweiz in die Bundesrepublik im Jahr 2010. Wie einen Western aber haben die Macher des "Tatorts“ aus Konstanz die Episode „Der Polizistinnenmörder“ (Regie: Florian Froschmeyer, Buch: Leo P. Ard) angelegt. Das heißt: Wo einst Gary Cooper, James Stewart oder Van Heflin unbeirrbar auf dem Kutschbock der Übermacht der Banditen trotzten, da trickst im trüben Nirgendwo nördlich des Bodensees Eva Mattes als Kommissarin Blum die Gangster aus.
Hier soll also ein von allen Schnörkeln befreiter, klassischer Eskort-Western in Stile von Delmer Daves‘ „3:10 to Yuma“ in die Jetztzeit transportiert werden. Die Sache hat nur einen Haken: Bei der Übersetzung der Handlung vom einsamen Colorado oder Louisiana ins nicht ganz so einsame deutsch-schweizerische Grenzgebiet ist die Plausibilität auf der Strecke geblieben. Denn kaum haben Blum und ihr freundlicher Thurgauer Kollege Reto Flückiger (Stefan Gubser) den Waffenhändler Meiners (Michael Brandner) auf den Rücksitz verladen, häufen sich vollkommen an den Haaren herbeigezogene Autopannen und Kommunikationsdesaster.
Statt strenger Reduktion, wie sie eben Genreperlen wie „3:10 to Yuma“ auszeichnet, gibt es hier nur wirre Emotion. Schon der Anfang ist eine Zumutung: Da klagt Ermittlerin Blum ihrem einfühlsamen Kollegen Flückiger gegenüber im Restaurant ihre Schuldgefühle, die sie wegen eines Mordes an einer jungen Polizistin hat – um danach fröhlich wie ein Scheunendrescher vor dem Erntedankfest über ihr Essen herzufallen.
Nein, auch das Schmausen ist beim Escort-Schocker im Wilden Westen verpönt. Entschuldigung Frau Kommissarin, aber mehr als ne Dose Bohnen ist bei dieser asketischsten aller Western-Spielarten einfach nicht drin.
Leser*innenkommentare
molly
Gast
Ich fand diesen Tatort auch sehr gut.War spannend bis zum Ende.Was negatives konnte ich nicht feststellen.
Nicolas
Gast
Ich kann absolut nicht nachvollziehen, wie manche Kommentatoren diesen Tatort als spannend empfinden konnten. Das Drehbuch bestand fast nur aus Logiklöchern und an den Haaren herbeigezogenen „unvorhergesehenen“ Wendungen…
Irene
Gast
"Dieser Tatort war mit Abstand der spannendste und unterhaltsamste seit Langem. Endlich mal keine persönlichen Beziehungskisten zwischen Kommissaren, keine privaten Geschichten, sondern einfach mal nur ein Krimi mit Unterhaltungswert."
@HeiFisch, genau das wollte ich auch schreiben, endlich ein Tatort, der uns mit den absurden persönlichen Problemen labiler KommissarInnen verschont. Eine schöne und spannende Geschichte.
lorenzo
Gast
Spannend wäre ja mal gewesen, wenn die taz berichtet hätte, ob der Name des Drehbuchautors "Leo P. Ard" echt oder ein Pseudonym ist.
Die Ähnlichkeit mit "Leopard" ist ja deutlich genug.
Erdinger
Gast
Kann mich nur der Meinung von HeiFisch anschließen- der Tatort hatte gar nicht den Anspruch, höchst plausibel zu sein, das ist doch mondklar gewesen aber anscheinend den hiesigen Kritikern nicht aufgefallen. Die Gangster waren fast schon liebenswürdig vertrottelt und dazu noch lächerlich ausstaffiert mit Pelzmantel etc. Als gegen Ende der aus dem Krankenwagen geworfene schweizer Polizist der showdown-szenerie entgegeneilt und sagt "komischer Tag heute" hab ich herzlich gelacht. Danke ARD für einen unterhaltsamen Abend.
jens
Gast
War einer der spannensten Tatorte seit langem. OK, manches war nicht schlüssig, aber der Unterhaltungswert war hoch. Was will man mehr am Sonntagabend.
Matthias
Gast
Anstatt sich Gedanken zu machen, inwiefern ein Western tatortkompatibel umgeschrieben wurde, sollte doch zuallerst der Frage nachgegangen werden, weshalb die TAZ den Tatort rezensiert.
Als nächstes wäre zu klären, weshalb man dem Film einen solchen Verriss zukommenläßt. Aber mit Filmkritiken, äh pardon, Fernsehkritiken verhält es sich wie mit Theaterrezensionen. Kritiker selbst hassen ihr Objekt. So einfach kann die Wahrheit sein und ist sie meist auch. In diesem Sinne.
Schöne Grüße,
Matthias
Gustavo
Gast
Ach, ich fand den eigentlich recht passabel, war auch sehr spannend. Die Restaurantszene ist aber wirklich missglückt!
HeiFisch
Gast
Dieser Tatort war mit Abstand der spannendste und unterhaltsamste seit Langem. Endlich mal keine persönlichen Beziehungskisten zwischen Kommissaren, keine privaten Geschichten, sondern einfach mal nur ein Krimi mit Unterhaltungswert.
Fabian
Gast
Ich kann mich der Meinung des Autors nur anschließen.
Eine absolute Missproduktion, schlecht gespielt und eines Tatortes nicht würdig.
Thom
Gast
Und die taz besticht durch Rechtschreibfehler selbst in der Artikelbeschreibung - paßt zur Qualität der Seite.