: Bis zur Eskalation
Um den aus Dänemark sendenden Kurdenkanal Roj TV abzuschalten, setzt die Türkei die dänische Regierung unter Druck – mit Unterstützung der USA
VON REINHARD WOLFF
Es ist immer noch dasselbe. Seit März 2004 sendet der kurdische Satellitenkanal Roj TV aus Kopenhagen – und seitdem protestiert die türkische Regierung regelmäßig bei der Dänemarks gegen dessen Aktivitäten. Nun hat Ankara einen Verbündeten bekommen. In einer vertraulichen diplomatischen Demarche legte die US-Regierung Kopenhagen in der vergangenen Woche „dringend nahe“, den Sender zu schließen. Am Wochenende zitierte die dänische Tageszeitung Berlingske Tidende aus dem Dokument: „Wir glauben nicht, dass solcherart Aktivitäten in Dänemark eine Freistatt haben sollten.“
Ohne nähere Begründung behauptet die Demarche, der Fernsehsender unterstütze in seinen Programmen die kurdische Befreiungsbewegung PKK und fordere zu Terror auf. Die PKK stehe auf der Terrorliste von UN und EU, deshalb müsse die dänische Regierung aktiv werden. Ähnlich argumentiert auch die türkische Regierung. Washington weist zudem darauf hin, dass Roj TV nur deshalb Dänemark als Sitz gewählt habe, weil Großbritannien und Frankreich sich geweigert hatten, die Station zuzulassen. Kopenhagen solle nicht nur den Sender schließen, sondern außerdem alle finanziellen Mittel und die technische Ausrüstung des hinter Roj TV stehenden Unternehmens Mesopotamia Broadcast beschlagnahmen.
In der vergangenen Woche hatte bereits der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die nach seinem Staatsbesuch in Dänemark angesetzte offizielle Pressekonferenz mit seinem Gastgeber, dem dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen, platzen lassen, nachdem er erfahren hatte, dass eine Journalistin von Roj TV unter den Pressevertretern war. Es soll die Aufforderung, gegeben haben, die betroffene Journalistin von der Konferenz auszuschließen. Das aber hat Rasmussen verweigert. Der Ministerpräsident sagte, er bedauere die Absage Erdogans, es sei jedoch ein Grundprinzip der EU, dass Regierungen die Freiheit der Medien nicht beeinträchtigen.
Senem Güneser, die Roj-TV-Reporterin, um die es geht, zeigte sich verwundert über Erdogans Reaktion: „Ich konnte früher sowohl den Premierminister als auch den Außenminister Abdullah Gül befragen, und sie haben auf meine Fragen geantwortet.“ Offenbar solle der Konflikt mit dem kurdischen Sender zur Eskalation getrieben werden. Die Gründe dafür sind unklar.
Im Frühjahr war die türkische Botschaft in Kopenhagen schon bei der dänischen Fernsehzulassungsstelle vorstellig geworden und hatte die Einziehung der Sendelizenz für Roj TV gefordert – allerdings vergeblich. Kürzlich stellte man dann eine Anzeige wegen angeblicher Terrorpropaganda bei der Polizei. Zu diesem Ermittlungsverfahren habe man auch das Schreiben aus Washington weitergeleitet, erklärte das dänische Außenministerium, das ebenso wie die Regierung jeden weiteren Kommentar zu dem Vorgang ablehnt.
Oppositionspolitiker forderten die Regierung auf, sich von den USA nicht unter Druck setzen zu lassen. Peter Viggo Jakobsen, Forscher am dänischen Institut für Internationale Studien, verglich das Vorgehen Washingtons mit dem Moskaus, das vor einigen Jahren von Kopenhagen die Auslieferung des tschetschenischen Führers Akhmed Sakajew gefordert hatte. Solange es keine Beweise für die Terrorvorwürfe gebe, dürfe Kopenhagen nicht handeln. Womöglich gehe es Washington auch nur darum, seinem türkischen Alliierten einen Gefallen zu tun.