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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Opfer-Ossis schlagen zurück und regieren ab morgen das Land. Erste Amtshandlung: Mit einem verfassungsmäßig fragwürdigen Haushalt gleich mal zeigen, wo Hammer und Sichel hängen. Da will selbst die FDP nicht mehr klagen

Von SR
Lautstärke undMedienpräsenz sind ab sofort Risiken für alle, die von Merkel nicht in acht Zügen matt gesetzt werden wollen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Frauke Ludowig lässt in TV-Studio Spatzen erschießen.

Was wird besser in dieser?

Neues Showformat: Weniger Dominosteine, mehr Spatzen und prominente Biathleten („Domina-Day“).

Morgen wird die CDU-Chefin Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt. Wird sie im Amt möglicherweise doch nur ein Grüßaugust ohne Richtlinienkompetenz?

Sie hat den harten Schlag des komplett vergeigten Wahlergebnisses mit klassischen Nehmerqualitäten weggesteckt und schnell ein Kabinett der Nichtkonkurrenzfähigen gebildet. Sie fängt erst an.

Was bedeutet es für die deutsche Gesellschaft, dass sie künftig von einer ostdeutschen Frau regiert wird?

Es ist eine Einladung, über biografische Voraussetzungen für politisches Handeln nachzudenken. Nach dem Gemütlichkeitsregime der Wohlstandsverwalter unter Kriegskind Kohl taten Bewegung, Öffnung, Mut zum Risiko Not. Diese Generation hat sich nun erschöpft – und der nächste starke Antrieb scheint, siehe auch Platzeck, in den ostdeutschen Opferbiografien zu liegen.

Wo liegt die politische Stärke von Angela Merkel?

Merkel ist die Schwäche ihrer Gegner. Lautstärke und Medienpräsenz sind ab sofort Risiken für alle, die von Merkel nicht ausgerechnet und in acht Zügen matt gesetzt werden wollen. Programmatisch moderiert sie Meinungsbildungsprozesse und lernt, da zahlt sich auch Kirchhof aus, sich erst bei erkennbarer Mehrheitsmeinung zu dieser zu bekennen.

Merkel und ihr kommender Vizekanzler Franz Müntefering haben kürzlich angekündigt, dass sie einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen werden. Was war das? Besonders ehrlich? Oder besonders arrogant, weil sich Rot-Grün oder Schwarz-Gelb so etwas nie getraut hätten?

Besonders großkoalitionär: Die tun das, weil Sie’s können. Schade, dass der FDP noch jemand gesteckt hat, dass sie in Düsseldorf gerade einen ebenfalls verfassungswidrigen Haushalt durchgebracht hat, sonst hätte sie sich selbst verklagt. Aber mehr kann das Oppositiönchen auch nicht tun.

Wenn die Koalition vorzeitig zerbricht – woran wird sie scheitern?

An einem anhaltenden Umfragehoch der Union. Irgend was zum Krachenlassen finden die dann schon.

Was fehlt der großen Koalition?

Ceterum censeo: ein in sich geschlossenes, verständliches Konzept für alle vier Sozialversicherungen. Und ’ne Idee, wofür sich das Sparen lohnen soll, die außerhalb des eigenen Bankkontos liegt. Was will Deutschland international beitragen?

Bundesgesundheitsministern Ulla Schmidt von der SPD will, dass die Ärzte für Privat- und Kassenpatienten künftig gleich viel Geld bekommen sollen. Ist das eine gute Idee?

Die Bundesärztekammer betont, das Kassen- und Privatpatienten qualitativ gleich behandelt würden, obwohl die Kasse weniger zahle, und das sei doch ganz toll. Heißt durch die Blume, dass Privatpatienten ganz toll doof sein müssen. Ein solidarisches und ein rein kommerzielles System nebeneinander kann man sich leisten, wenn man sonst keine Sorgen hat. Da die Wahlversprechen der Koalitionäre unvereinbar sind, muss die Debatte von vorn beginnen – Schmidt hat dazu einen vernünftigen Ansatz gewählt.

Beim Spiegel scheint Stefan Aust wieder fest im Sattel zu sitzen. Was sagt uns das über den Spiegel?

Deutschlands urteilsfreudigste Austeiler haben sich öffentlich als Betroffenengruppe der Glaskinnerkrankten geriert – schade.

Und was macht Borussia Dortmund?

Sich große Sorgen! Was ist schon ein Sieg gegen Hertha und der siebte Tabellenplatz, wenn auf der Radsportrundstrecke nebenan tatsächlich Bergschäden festgestellt wurden? Nun weitere Erkundungsbohrungen und kein BVB-Profi kann dort mehr Rad fahren!!! Und ich auch nicht.

FRAGEN: SR