Protestrave bei Springer

AKTIONSTAG Am Donnerstag protestierte „One Billion Rising“ weltweit gegen die seelische und körperliche Gewalt gegen Frauen. Auch in Berlin, wo es vor der „Bild“-Zentrale doch hätten mehr sein können

Der Straßenverkehr ist zum Teil lauter als die Trillerpfeifen

Der Platz vor dem Axel-Springer-Haus ist mit einem Flatterband abgesperrt und leer gefegt. Lediglich an den Fenstern in den unteren Etagen lehnen ein paar Menschen: Männer in hellen Oberhemden schauen durch das Glas nach draußen auf das, was sich vor der Absperrung abspielt. Dort veranstalten gerade fünfzehn Frauen und zwei Männer einen kleinen Straßenrave. Sie recken Plakate in die Luft, tanzen und pusten unermüdlich in ihre Trillerpfeifen.

Sie sind hergekommen, weil die Bild-Zeitung in ihren Augen die Debatte über Sexismus verharmlost, die derzeit in der Republik geführt wird. Und weil an diesem Donnerstag im Rahmen der Aktion „One Billion Rising“ weltweit gegen die seelische und körperliche Gewalt gegen Frauen demonstriert wird. Sie geht zurück auf das Netzwerk V-Day der US-amerikanischen Feministin Eve Ensler. Die AktivistInnen vor dem Springer-Haus sehen ihre tänzerische Intervention als ein Puzzleteil in diesem globalen Protestgefüge.

„Sexismus und sexualisierte Gewalt sind untrennbar miteinander verbunden“, sagt Julia Dittmann. Die 26-jährige Studentin hat die Demonstration mitorganisiert und richtet ihre Kritik unter anderem an Nikolaus Blome, den Leiter des Hauptstadtbüros der Bild-Zeitung. Der hatte kürzlich in seiner auf steile Thesen angelegten Streitsendung auf Phoenix eine besonders steile These vertreten: Es könne nicht angehen, dass die tatsächlichen oder vermeintlichen Opfer darüber entscheiden, was ein Regelverstoß ist und was nicht, sagte er bezüglich der Debatte über Sexismus. „Ja wer bitte soll das denn sonst entscheiden, wenn nicht die Betroffenen selbst?“, fragt Dittmann jetzt. Auch die seriösen Medien seien gegen verharmlosender Berichterstattung nicht gefeit, ergänzt sie. Ihre MitstreiterInnen stimmen zu.

Doch weil es eben nicht allzu viele sind an diesem Nachmittag in Kreuzberg, kommt die Protestaktion nicht richtig in Fahrt. Der Straßenverkehr ist zum Teil lauter als die Trillerpfeifen. Zwei Polizisten schlendern vorbei und lehnen die Flyer der Demonstrierenden freundlich ab: „Dit ham wa doch schon.“ Und dass sich jemand aus dem Springer Verlag zu einer Diskussion auf die Straße wagt, damit rechnet hier ohnehin niemand.

Also packen die AktivistInnen zusammen und machen sich auf in Richtung Alexanderplatz. Dort und am Brandenburger Tor sind weitere Tanz-Flashmobs angekündigt, die ebenfalls im Rahmen von „One Billion Rising“ stattfinden. JOANNA ITZEK