: Aus lauter Angst vor Symmetrie
Das Kartellamt will den Wettbewerb auf dem Medienmarkt wahren: Springer könnte gezwungen sein, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen
VON HANNAH PILARCZYK
„Wir haben gute Argumente und sind zuversichtlich, in den weiteren Gesprächen mit dem Bundeskartellamt eine Genehmigung des Zusammenschlusses zu erreichen“, sagte Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, am Freitag als Antwort auf den 45-seitigen Schriftsatz, den die Springer-Anwälte nach Informationen des Spiegel persönlich beim Bundeskartellamt in Bonn abholten. Tatsächlich müssen Springers Argumente – die bis zum 8. Dezember dem Kartellamt genannt sein müssen – schon sehr gut sein, denn was das Kartellamt gegen die Übernahme der Sendergruppe ProSiebenSat.1 einzuwenden hat, ist schwer wiegend.
Die Argumente des Kartellamts sind doppelt genäht. Zum einen führt es an, dass Springer mit dem Senderkauf auf den Bertelsmann-Konzern, der bereits sowohl Presse- als auch TV-Geschäft umfasst, aufschließen würde (siehe Text unten). Damit würden beide Unternehmen „hinsichtlich ihrer Geschäftsfelder symmetrischer“. Folge: „Interessenkongruenzen“ würden sich häufen und so der Wettbewerb zwischen den Konkurrenten erlahmen. Diesen Einwand wird Springer kaum entkräften können. Schließlich betreibt man bereits mit Bertelsmann gemeinsame Tiefdruckereien. Und dass die Bertelsmann-Firma Arvato kürzlich den Telefonhotline-Dienst AS Interactive von Springer übernommen hat, wirft auch kein gutes Licht auf die vermeintlichen Konkurrenten.
Zum anderen warnt das Kartellamt vor einem weiteren Machtzuwachs für Springer auf dem Lesermarkt für Kaufzeitungen sowie auf dem Anzeigenmarkt für bundesweit erscheinende Tageszeitungen eben durch den Einstieg ins Fernsehgeschäft – hier droht eine crossmediale Verwertungskette von Bild bis Sat.1.
Mit der Bewertung des gesamten Medienmarktes betreten das Kartellamt und speziell sein Chef Ulf Böge (siehe Porträt) rechtliches Neuland. Bislang betrachtete die Behörde die Marktsegmente TV und Print getrennt. Im Fall der (gescheiterten) Übernahme der Berliner Zeitung durch Holtzbrinck, dem auch der Berliner Tagesspiegel gehört, separierte man sogar den Markt der Kauf- von dem der Abozeitungen und lehnte den Kauf allein deshalb ab, weil der Verlag im Teilbereich Abozeitungen mit den zwei Titeln dominieren würde. Hätte man den Berliner Zeitungsmarkt und mit ihm Springers Dominanz durch Bild und BZ insgesamt betrachtet, wäre die Übernahme wohl durchgegangen.
Hier könnte Springer juristisch nachhaken, wenn das Kartellamt bei seiner Bewertung bleibt. Dann müssten Gerichte klären, ob das Kartellrecht diese Entscheidung tatsächlich deckt. Zunächst wären dann Verwaltungsgerichte zuständig, bei der Brisanz des Geschäfts könnte es aber letztlich bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Davor könnte Springer allerdings auch noch eine Ministererlaubnis beim künftigen Bundeswirtschaftsminister, dem Bayern Michael Glos, beantragen. Im Süden hat man zwar nie einen Hehl daraus gemacht, dass man vieles, wenn nicht alles für den Medienstandort München zu tun bereit ist. Doch ob man so unverhohlen Politik für den in Unterföhring ansässigen Sender ProSieben machen kann, ist fraglich.
Am wahrscheinlichsten ist für Springer deshalb der lange Marsch durch die Gerichtsinstanzen. Wer weiß jedoch, wie die Medienlandschaft in ein, zwei Jahren aussieht, wenn das Verfahren beim höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe gelandet sein könnte. Ein entnervter Nochbesitzer Haim Saban, ein blockierter Mathias Döpfner, ein finanzpotenter Georg Kofler vom Pay-TV Premiere – dann könnten die Karten noch mal ganz neu gemischt werden.