: Der Kampf muss einfach weitergehen
FAMILIE ZWANGSGERÄUMT
Es war ein bewegender Moment, als der bärtige Ali Gülbol mit einer lässigen Schirmmütze am Donnerstagmorgen um neun Uhr auf die Straße trat. „Die Räumung ist vollzogen“, rief er laut.
Der Rechtsstreit zwischen den Gülböls und dem Besitzer des Hauses Lausitzer Straße 8 in Kreuzberg um eine Mieterhöhung dauerte Jahre. Schon im vergangenen Sommer sollten sie die Schlüssel abgeben. Aber dann solidarisierten sich Aktivisten vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“, aber auch Freunde, Nachbarn, andere von der katastrophalen Mietenentwicklung Betroffene. Im Oktober verwehrten Demonstranten der Gerichtsvollzieherin erfolgreich den Zugang. Diesmal kam sie durch – mit miesen Tricks und unter Einsatz von rund 400 Polizeibeamten. Nun hat die Familie Gülbol keine Wohnung mehr. Aber Ali Gülbol lässt sich trotzdem nicht ins Bockshorn jagen. Er bedankt sich für die Solidarität und sagt: „Der Kampf gegen die Ungerechtigkeit geht weiter.“
Ali Gülbol, ein 41-jähriger Malermeister, seine Frau Necmiye und die Kinder Aylin, Akim und Amir: sie haben keine Lust, sich verschämt wegzuducken, wie es die meisten tun, die von Zwangsräumung bedroht sind – laut dem „Bündnis Zwangsräumnung verhindern“ immerhin an die 3.000 jährlich in Berlin. Die Gülbols haben erkannt, dass das Problem nicht nur ihr persönliches, sondern das der Politik ist – und sind mit ihrem Mut, ihrem Stolz und ihrer Bereitschaft, sich helfen zu lassen, zum wirkmächtigen Symbol für den Kampf gegen Mietsteigerungen geworden.
Es kann einfach nicht angehen, dass immer mehr Menschen aus ihren angestammten Quartieren vertrieben werden, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Was soll eine Familie wie die der Gülbols in einem Stadtteil wie Marzahn, den sie sich noch leisten könnten, in dem aber die Kinder auf dem Schulweg angepöbelt würden? Der Kampf muss einfach weitergehen. SUSANNE MESSMER