Scharfe Sanktionen der EU : Armut im Iran wird zunehmen

Das Regime muss künftig mehr Geld für seinen Machterhalt und das Atomprogramm ausgeben. Aber die Bevölkerung wird hart getroffen werden.

Der gesamte Handel im Iran wird mit den vorgesehenen Sanktionen in Mitleidenschaft gezogen werden. Bild: ap

Die am Montag von den Außenministern der Europäischen Union beschlossenen Sanktionen sind die schärfsten, die die EU jemals gegen die Islamische Republik verhängt hat. Sowohl sie als auch die zuvor von den USA beschlossenen Sanktionen gehen weit über die bereits im Juni im UN-Sicherheitsrat vereinbarten Strafmaßnahmen gegen den Iran hinaus. Sie zielen hauptsächlich auf die Bereiche Energie, Transport, Handel, Banken, Versicherungen. Sie sollen das Regime in Teheran schwächen und es letztendlich zum Verzicht auf Urananreicherung zwingen. Sollte das Regime nicht einlenken, bliebe, zumindest nach erklärter Absicht der USA, immer noch die militärische Option.

Sowohl in Washington als auch in Brüssel wird immer wieder betont, dass die Sanktionen gezielt die iranische Führung und die mächtige Organisation der Revolutionswächter treffen sollen, nicht die Bevölkerung. Doch das Gegenteil der Fall.

Zwar werden die Strafmaßnahmen dem Regime gewisse Probleme bringen, aber solange das Öl fließt und die Einnahmen die Staatskasse füllen, werden die Regierenden alles bekommen, was sie für ihren Machterhalt benötigen: Waffen und Ausrüstung, Ersatzteile und Technologie. Allerdings werden die Kosten steigen, weil die Waren illegal erworben werden müssen. Das gilt auch für die Fortsetzung des Atomprogramms.

Anders die Bevölkerung. Sie wird in mehrfacher Hinsicht unter den Sanktionen zu leiden haben. Sollte es, wie vom Westen beabsichtigt, gelingen, den Import von Benzin weitgehend zu unterbinden, dann wird die bereits eingeführte Rationalisierung des Treibstoffs verschärft werden. Iran ist zwar der viertgrößte Erdölproduzent der Welt, das Land muss aber infolge des Mangels an Raffineriekapazitäten vierzig Prozent seines Benzinbedarfs aus dem Ausland einführen. Die Folge von Boykottmaßnahmen wäre der Ruin von zahlreichen Fabriken, Transportgesellschaften, Taxi- und Busunternehmen. Auch weite Teile der Landwirtschaft - soweit technisiert - würde in Mitleidenschaft gezogen werden. Damit würde die Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Anstieg der Preise rasch in die Höhe getrieben werden. Sie liegt bereits bei 25 Prozent.

Auch der gesamte Handel würde mit den vorgesehenen Sanktionen in Mitleidenschaft gezogen werden. Der jüngste Streik des Bazars, der als Schlagader der iranischen Wirtschaft gilt, war ein erstes Warnsignal. Der Handel ist auf funktionierende Banken, auf Kredite, Transport und Devisentransfer angewiesen. Vor allem jene Händler, die im Export-Import-Geschäft tätig sind, werden die durch die Strafmaßnahmen entstehenden Schwierigkeiten kaum überwinden können. Der einzige Ausweg, der ihnen bliebe, wäre der Wechsel zur Schmuggelwirtschaft. Bereits seit Jahren wird der iranische Markt von Schmuggelwaren überhäuft. Einflussreiche Stiftungen, paramilitärische Organisationen und allen voran die Organisation der Revolutionswächter kontrollieren den größten Teil der Grenzen, Häfen und Flughäfen. Damit können sie jede beliebige Waren ohne Abgabe von Zollgebühren und Steuerabgaben auf den Markt bringen. So werden die Boykottmaßnahmen der Verbreitung des Schwarzmarkts und der Korruption enormen Vorschub leisten. Das wäre ein weiterer Schlag gegen die iranische Industrie und Landwirtschaft, deren Produkte mit den zoll- und steuerfrei eingeführten Waren nicht konkurrieren können.

Bereits jetzt wird ein großer Teil des iranischen Marktes von billigen chinesischen Waren beherrscht. Ohnehin hatte Präsident Mahmud Ahmadinedschad bereits kurz nach seiner Amtsübernahme vor fünf Jahren als Reaktion auf die Drohungen aus dem Westen eine Wende vom West nach Ost angekündigt. Die Eskalation des Atomkonflikts hat diesen Trend beschleunigt, so dass der Iran sich bereits heute eher nach Osten orientiert als nach Westen orientiert.

Nach offizieller Darstellung leben heute rund fünfzig Prozent der Iraner am Rand des Existenzminimums oder darunter. Die Sanktionen werden, sollten sie ernsthaft umgesetzt werden, weitere Millionen in die Arbeitslosigkeit und Armut treiben. Es ist fraglich, ob diese Entwicklung zu einer massenhaften Protestbewegung gegen die Staatsführung führt - womit vielleicht der Westen rechnet - oder ob es dem Regime nicht vielmehr gelingen wird, den Unmut und die Wut auf den "äußeren Feind" zu lenken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.