piwik no script img

Anträge im Bundestag zu Stuttgart 21SPD und Grüne für Baustopp

Die Bundestagsfraktionen beider Parteien haben Anträge eingereicht, die ein Moratorium für "Stuttgart 21" fordern. Die SPD will eine Volksabstimmung, die Grünen rügen fehlende Transparenz.

Die SPD will die Bevölkerung im Ländle anhören: Demo der "Stuttgart 21"-Gegner am Freitag, den 10. September. Bild: dapd

BERLIN afp/dpa | Der Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" beschäftigt jetzt auch den Bundestag. Die SPD-Fraktion setzt sich für den Stopp des Vorhabens bis zu einer Volksabstimmung ein. Dazu brachte sie am Dienstag einen entsprechenden Antrag im Bundestag ein und unterstützt damit ein Vorhaben der baden-württembergischen Landes-SPD. Zuvor hatte bereits die Grünen-Fraktion einen Antrag eingebracht, mit dem die schwarz-gelbe Bundesregierung zu einem Moratorium aufgefordert wird - die Grünen haben sich aber anders als die SPD von Beginn an gegen "Stuttgart 21" eingesetzt.

In dem Antrag der SPD heißt es, das Großprojekt "Stuttgart 21" und die damit verbundene Neubaustrecke Wendlingen-Ulm beinhalte viele positive Elemente. Das Projekt entzweie aber die Bevölkerung und treibe zehntausende Menschen auf die Straßen Stuttgarts.

Deshalb sollten die Bürger Baden-Württembergs selbst über die Zukunft von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm im Rahmen einer landesweiten Volksabstimmung entscheiden können, auch im vollen Wissen über die Kosten und die Folgen eines Ausstiegs. Bis zu einer Volksabstimmung solle deshalb mit der Deutschen Bahn und dem Land Baden-Württemberg einvernehmlich ein sofortiges Ruhen der Bau- und Abrissarbeiten beschlossen werden.

Unterdessen bekräftigte der baden-württembergische SPD-Landeschef, Nils Schmid, das Engagement der SPD für das Projekt. Daran ändere auch die von der SPD erhobene Forderung nach einem Volksentscheid nichts. "Die verkehrlichen, ökologischen und städtebaulichen Vorteile überwiegen deutlich", sagte der Spitzenkandidat für die Landtagswahl im kommenden März der Tageszeitung Die Welt.

Der Bundestag hatte Ende November 2008 mit der Verabschiedung des Haushalts 2009 den Weg frei gemacht für das Projekt, das den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an eine Schnellbahnstrecke nach Ulm vorsieht.

In ihrem Antrag fordern die Grünen eine aktuelle Kostenberechnung des Projekts. Es sei zu befürchten, dass Kostenrisiken in Milliardenhöhe für den Bund gravierende Folgen für den Ausbau des Schienengüterverkehrs haben werden.

In dem Antrag kritisieren die Grünen, dass den Abgeordneten im Bundestag "bis heute" die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Deutschen Bahn AG für das Gesamtprojekt "mit Verweis auf ein angebliches Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nicht vorgelegt wurde".

Die projektierten Kosten für den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation mit bis zu 5,3 Milliarden Euro sind den Grünen zufolge schon jetzt um 1,3 Milliarden bis 2,5 Milliarden Euro höher als Ende 2008 von der Bundesregierung im Bundestag dargelegt. Zudem könnten die Kosten für die Neubaustrecke nach Ulm von 2,9 Milliarden auf über zehn Milliarden steigen. Diese Summen verhindern den Grünen zufolge den Ausbau des Schienengüterverkehrs etwa an den Seehäfen und drohten damit, dem Standort Deutschland massiven Schaden zuzufügen.

Gegen das Bauprojekt gibt es seit Wochen heftigen Widerstand aus der Bevölkerung. Am vergangenen Wochenende hatten erneut mehrere tausend Menschen gegen den Bahnhofsumbau demonstriert. Stutthart 21 gilt als derzeit größtes Infrastrukturprojekt in Europa. Der bisherige Stuttgarter Kopfbahnhof soll während der insgesamt zehnjährigen Bauzeit durch eine Verlegung in den Untergrund zu einer Durchgangsstation gemacht werden, außerdem soll in Richtung Ulm eine Schnellbahnverbindung entstehen. Die Gegner kritisieren die Kosten, ökologischen Folgen und angebliche Sicherheitsgefahren durch das Bauprojekt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • M
    MCBuhl

    Ich lese immer: "unterirdische Durchgangsstation." Welcher Scherzkeks nennt ein Gebäude, dass 5 m aus der Erde heraus ragen wird, "unterirdisch"?

  • AK
    Alexander Köpf

    Ja ja, die Sozialdemokraten.

    Wer hat uns verraten...

    Schon traurig, daß die Genossen, egal um was es geht, immer das gleiche Bild abgeben. Zuerst munter noch die dümmsten Großprojekte abnicken, und dann, wenn sich die Bürger dagegen wehren, 180 Grad Kehrtwende und gegen die selbst beschlossenen Gesetze sein wollen. Da kommt mir wirklich das Kotzen. Ich habe Wackersdorf, Mutlangen, Brokdorf, den Transrapid usw miterlebt. Und immer war es das gleiche. Ich kann diese Partei nicht mehr ernst nehmen. Und es schmerzt mir in der Seele, daß die Partei, die einst Heimat von Vordenkern wie Herbert Wehner, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Egon Bahr, Erhard Eppler usw war, heute eine Ansammlung von visionslosen, rückratlosen zweitklassigen Berufs-Politikern ist, deren politischer Weitblick direkt proportional zu ihrer Lebensferne ist.

    Schlimm ist nur, daß im Falle Baden Württembergs zu befürchten ist, daß nach der Landtagswahl die Grünen mit diesen abgehalfterten Genossen koalieren müssen. Da kann man wirklich nur auf einen Bürgerentscheid gegen S 21 hoffen, den die Genossen fallen garantiert wieder um, wenn sie erst einmal Regierungsverantwortung haben. Traurig.

  • B
    B003

    Stuttgart21 muss durchgesetzt werden. Mit allen Mitteln !

    Die Zukunft findet nicht im Gestern statt.

  • A
    audio001

    Stuttgart21 ist ein Beispiel dafür, wie "Geld" sinnlos zum Fenster herausgeworfen wird!- Der "Nutzen" für den Bürger ist gleich Null.

     

    Es stopfen sich lediglich die die Taschen voll, die an den Aufträgen aus diesen "stadtebaulichen" Projekt verdienen!- Hier werden schlichtweg Interessen "der Wirtschaft" bedient und die "Geldverteilmaschine" der öffentlichen Hand angeworfen!

     

    "Stuttgart21" steht für die Sinnlosigkeit der Verschleuderung von Steuermitteln und der Unfähigkeit der Politiker, Politik noch im Sinne der Bürger zu gestalten!

     

    Und "Stuttgart21" ist mit Sicherheit kein Einzelfall...

  • K
    kalleM

    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!

    Und wer war mit dabei? Die grüne Partei!

    Wer verrät uns nie? Die direkte Demokratie!

  • B
    beat126

    Sind Deutsche zu dumm für die Direkte Demokratie, also für Volksentscheide wie im Fall Stuttgart 21?

     

    Hier die Antwort aus Schweizer Sicht:

     

    http://www.20min.ch/news/ausland/story/Die-Schweiz-aus-deutscher-Sicht-16093822

  • PB
    Pro Baustopp und Volksentscheid

    Ich halte es für gut, einen sofortigen Baustopp sowie einen Volksentscheid zu fordern.

     

    Hier kann man den Suttgarter Appell unterstützen:

     

    http://stuttgarterappell.de/

  • A
    A.W.G.

    "SPD und Grüne für Baustopp"... da fehlt eine Partei!

  • B
    beat126

    Liebe Baden-Württemberger

    die Direkte Demokratie ist zwar in eurer Landesverfassung niedergeschrieben, sie ist aber (wahrscheinlich bewusst) in der Praxis nicht oder kaum umsetzbar.

     

    Sollte es zur Abstimmung kommen, lasst euch gleichzeitig das Referendumsrecht und Initiativrecht praxisorientiert umschreiben und zur Abstimmung bringen, damit sie als elementare Volksrechte auch wirklich einsetzbar sind.

     

    Denn eines ist klar, ganz gleich wer an die Macht kommen wird, das nächste umstrittene Sachthema kommt bestimmt. Lasst euch diese Chance nicht entgehen.

    Und es ist einfach so - das Volk ist der Souverän.

  • MS
    Michael S.

    Wie das Fähnchen auf dem Turme, so dreht sich die SPD im Sturme.