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Archiv-Artikel

Juli Zeh unterliegt in Karlsruhe

JUSTIZ Die Schriftstellerin hatte gegen die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken für biometrische Reisepässe geklagt. Das Bundesverfassungsgericht fand die Begründung der Klage zu unkonkret

FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht hat eine Klage gegen den biometrischen Reisepass als unzulässig abgelehnt. Geklagt hatte unter anderen die Schriftstellerin Juli Zeh („Schilf“), die sich gegen den Überwachungsstaat engagiert.

Seit 2005 enthalten neue Reisepässe ein sichtbares digitalisiertes Foto und seit 2007 auch zwei Fingerabdrücke, die aber nur im Chip des Passes gespeichert sind. Die biometrischen Merkmale sollen sicherstellen, dass Person und Pass zusammengehören und nicht nur der Ausweis einer ähnlich aussehenden Person vorgelegt wird. Damit wird eine EU-Verordnung von 2004 umgesetzt.

Gegen die Einführung der biometrischen Reisepässe legte Juli Zeh gemeinsam mit dem Leipziger Anwalt Frank Selbmann im Jahr 2008 eine Verfassungsbeschwerde ein. Die biometrischen Daten auf den Reisepässen seien nicht geeignet, Terror zu verhindern, und könnten von Unbefugten ausgelesen und missbraucht werden. Vor allem aber kritisierte Zeh die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken. Dies sei eine „Geste der Demütigung und Degradierung“, ein „Eingriff in die Menschenwürde“, der Bürger „fühlt sich als Verbrecher behandelt“. Der biometrische Reisepass sei „Ausdruck eines Generalverdachts gegenüber unbescholtenen Bürgern und somit Teil der Entwicklung zu einem Präventionsstaat“, argumentierte Zeh.

Karlsruhe erklärte die Klage nun für unzulässig, die Begründung genüge nicht den Anforderungen. Die Beschwerde sei „nicht sachhaltig“ auf die konkreten gesetzlichen Bestimmungen eingegangen. Die Richter deuteten aber an, dass sie die aufgeworfen Fragen durchaus relevant finden, insbesondere die Möglichkeiten des Missbrauchs der Fingerabdrücke durch andere Staaten (Az. 1 BvR 502/09).

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat 2012 dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Frage vorgelegt, ob die zugrunde liegende EU-Verordnung mit EU-Grundrechten vereinbar ist. CHRISTIAN RATH