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Archiv-Artikel

Wartelisten für Missbrauchsopfer

GEWALT Beratungsstelle bilanziert gewachsene Sensibilität, aber wenig Hilfe für Geschädigte

An den Schulen heißt das Ziel, Jugendliche für sexuelle Grenzüberschreitungen zu sensibilisieren

Ob Kirche, Kampusch oder Kinski: „Das Thema sexuelle Gewalt ist in aller Munde“, sagt Christa Paul von der Beratungsstelle Allerleihrauh: „Doch für die Betroffenen hat sich wenig geändert.“ Rechtzeitig zur Präsentation der Empfehlungen des 2010 ins Leben gerufenen „Runden Tisches Kindesmissbrauch“, die für den heutigen Mittwoch in Berlin erwartet wird, zog am Dienstag die Beratungsstelle für Opfer sexualisierter Gewalt ein Fazit. Das lautet: Viele Worte, wenig Geld. Paul sagt: „Die Bilanz fällt negativ aus.“

So sei die „Inanspruchnahme der Fachberatungsstellen“ in den vergangenen Jahren „stetig gewachsen“, da Missbrauch im Familien- oder Freundeskreis, in öffentlichen und privaten Einrichtungen kein Tabuthema mehr sei, sich immer mehr Betroffene Hilfe holten. Auch gäbe es „eine deutliche Zunahme an Präventionsarbeit“ etwa an den Schulen, mit dem Ziel, Jugendliche für sexuelle Grenzüberschreitungen zu sensibilisieren.

Nur eine mit den Aufgaben wachsende Förderung gäbe es nicht. Paul klagt: „Die Beratungsstellen arbeiten längst mit Wartelisten und müssen sich als Spendensammler betätigen, um ihre Aufgaben weiterhin zu erledigen.“ Dabei war vom Runden Tisch eine Zusatzförderung in Millionenhöhe in Aussicht gestellt worden, die bislang aber ausblieb und auch Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) versprach bislang nur, beim Opferschutz nicht noch „weiter zu kürzen“.

An vielen Punkten herrsche deshalb Notstand: So habe die Politik „Menschen mit Behinderungen“, die aufgrund ihrer eingeschränkten Möglichkeiten, Übergriffen zu begegnen, oft zu Opfern werden, „einfach nicht im Blick“, sagt Paul. Auch würden notwendige Therapien von Opfern nur selten ausreichend lange finanziert. Auch erhielten Erwachsene, die sich auf die Spurensuche nach ihrer eigenen Missbrauchsgeschichte machen, zu wenig Unterstützung.MARCO CARINI