: Schutz ohne Anmeldung
Nach beinahe drei Jahren erklärt Verwaltungsgericht das Polizeivorgehen gegen Bambule-Demos in der weihnachtlichen City für rechtswidrig
von KAI VON APPEN
Tingelt eine Gruppe von Menschen durch die weihnachtliche City und ruft, sagen wir, „Bambule“, um zum Beispiel auf den gleichnamigen, von Räumung bedrohten Bauwagenplatz hinzuweisen, dann tut sie das im Schutz des Versammlungsgesetzes – auch ohne vorherige Anmeldung. Das ist das Ergebnis der gestrigen Verhandlung vor dem Hamburger Verwaltungsgericht, in der es um die Rechtmäßigkeit von Bambule-Protesten im Dezember 2002 ging. Damals, drei Tage vor Heiligabend, hatte die Polizei wahllos vermeintliche Demonstranten eingekesselt und für Stunden auf Polizeiwachen festgehalten.
An jenem Samstag war Karsten S. in der City zum Shoppen unterwegs gewesen. Kollegen hatten ihn beauftragt, Weihnachtsgeschenke für eine abendliche Betriebsfeier einzukaufen. In der Bergstraße wurde S. – wohl wegen seines Outfits – überraschend von Polizisten gepackt und in Richtung einer Gruppe von Menschen geschubst, die gerade von weiteren Beamten umzingelt wurde. Die Polizei nahm Karsten S. in Gewahrsam und transportierte ihn auf die Revierwache Billstedt, in der er bis 22.30 Uhr in einer Zelle schmorte. Daraufhin klagte S. vor dem Verwaltungsgericht.
Ähnliches wie ihm widerfuhr an jenem 21. Dezember noch anderen Menschen. So kesselte die Polizei am frühen Abend mehrere hundert Leute auf der Mönckebergstraße ein, eine Stunde später nochmals dutzende Protestler vor dem Alsterhaus. Insgesamt nahm die Polizei 109 Menschen in Gewahrsam – dass es nicht noch mehr waren, lag an Transportproblemen und Unterbringungskapazitäten.
Durchweg agierte die Polizei mit der Begründung, es handele sich nicht um Demonstrationen nach dem Versammlungsgesetz, sondern um nicht schützenwerte „Ansammlungen“ mit der Absicht, den vorweihnachtlichen Trubel zu stören. Noch in der Klageerwiderung musste Polizei-Justiziar Ulrich Ettemeyer – der damals vor Ort die Einsatzführung nicht hatte zur Räson bringen können – argumentieren, dass „nur stören“ wolle, wer in der vollen Innenstadt auftauche und „Bambule“ rufe.
Dies sah die Kammer 19 des Verwaltungsgerichts unter Vorsitz von Ulrich Ramsauer offensichtlich anders. Ramsauer brach nach der gestrigen Aussage eines Einsatzleiters abrupt die Beweisaufnahme ab. Für das Gericht war das damalige Vorgehen der Polizei „schon deshalb rechtswidrig“, weil die Proteste nach dem Versammlungsgesetz auch ohne Anmeldung geschützt gewesen seien. Um eine Verurteilung zu vermeiden, musste der Polizeijurist nun in einen Vergleich einwilligen: Die Polizei erkenne an, gab Ettemeyer zu Protokoll, „dass das Vorgehen gegen den Kläger im Hinblick auf das Versammlungsrecht rechtlich zu beanstanden ist“.
Der Anwalt des Klägers, Carsten Gericke, spricht von einem „politisch weitgehenden Vergleich“ mit grundsätzlicher Bedeutung. „Wer sich politisch artikuliert“, konstatiert er, „hat das Versammlungsrecht auf seiner Seite.“ Dennoch sei sein Mandant über den Ausgang ein wenig „zerknirscht“, da sein „Rehabilitierungsinteresse“ auf der Strecke geblieben sei. „Er war wirklich zum Einkaufen in der Stadt, und konnte wegen der Ingewahrsamnahme nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen, was für ihn berufliche Nachteile hatte.“
Ob das Verfahren tatsächlich Auswirkungen auf die polizeiliche Vorgehensweise haben wird, ist fraglich. Bei vielen Polizeiführern herrscht weiter die Mentalität, erst mal auf die harte Tour zu handeln – und Jahre später die Gerichte über die Rechtmäßigkeit entscheiden zu lassen.