LESERINNENBRIEFE :
Sexismus erneut verharmlost
■ betr.: „Das große Saubermachen“, taz vom 18. 2. 13
in dem artikel wird SEXismus mit SEX verwechselt bzw. gleichgesetzt. auf diese weise wird sexistische gewalt verharmlost. wenn im artikel kritisiert wird, dass tatort-folgen über sexuellen missbrauch, traumabewältigung und kinderprostitution ermittlungen im „moralischen sumpf“ seien, „an dessen rand ein schild zu stehen scheint, auf dem es heißt: sex ist gefährlich!“, dann sagt das viel über ein in dem artikel normalisiertes problematisches und unreflektiertes verständnis zu sexismus und gewalt aus; ganz offensichtlich kann der autor nicht zwischen gewalt und sexualität als kommunikationsform unterscheiden, was einer debatte um sexismus (nicht: sex!) alles andere als förderlich ist, sondern sexismus erneut verharmlost oder sogar als problem erklärt („die gesellschaft wird prüde“). gibt es wirklich keine anderen lustbetonten respektvollen vorstellungen zu sexualität als praxis? was bedeutet es, wenn die taz einen artikel von einem ihrer festangestellten redakteure abdruckt, in dem nahegelegt wird, dass ein öffentliches reden über sexistische gewalt (nicht sex!) zu einer verarmten prüden gesellschaft führen würde? warum wird eine gesellschaft lustlos, wenn sie keine sexistische gewalt will? für wen wird es dann lustlos und auf wessen kosten? und wie wäre es, sich mal den offenbar tief verankerten und normalisierten sexistischen vorstellungen zuzuwenden an diesem punkt?
LANN HORNSCHEIDT, Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien, Humboldt-Universität, Berlin
Erfolgskontrolle fehlt
■ betr.: „Herr Michalik und sein Herz“, sonntaz vom 16. 2. 13
Kein Arzt will also den PatientInnen explizit schaden. Wie schön, aber sollte das nicht selbstverständlich sein? Das Problem ist doch, dass es der Ärzteschaft komplett gleichgültig ist, ob sie die PatientInnen heilen oder nicht. Eine Erfolgskontrolle der ärztlichen Maßnahmen existiert nicht, ebenso fehlt es bei dieser Berufsgruppe vollständig an kritischer Selbstreflexion.
Obwohl ständig an die Eigenverantwortung der PatientInnen appelliert wird, ist ihre Mitwirkung systematisch ausgeschlossen. Insbesondere gibt es für die Patienten kein Mitspracherecht darüber, welche Therapien abgerechnet werden können. So sind die PatientInnen zum bloßen Objekt degradiert worden: zum Pillenabfüllobjekt („Ja wenn Sie Ihre Medikament nicht nehmen, können wir Ihnen auch nicht helfen.“), zum Medizinische-Geräte-Auslastungsobjekt („Bauchschmerzen? Dann erst mal zur Darmspiegelung“) und natürlich zum Honorarabrechnungsobjekt (Kontrolle der Abrechnung durch die Leistungsempfänger? Fehlanzeige).
Die vollständige Abwesenheit von Leistungs- und Erfolgskontrollen führt direkt zu diesem absolutistischen Selbstverständnis, das so viele ÄrztInnen kennzeichnet. PatientInnen mit blindem Vertrauen, die sich ohne jegliche Beschwerden freiwillig unters Messer legen, komplettieren dann das Desaster. S. BRINKMANN, Hamburg
Nicht tendenziell skrupellos
■ betr.: „Wenn Ärzte nicht mehr heilen“, taz vom 16. 2. 13
Unbestritten gibt es im ärztlichen Bereich sowohl Fehlentwicklungen als auch „schwarze Schafe“ – und ohne Abstriche ist jeder einzelne Fehler im Umgang mit Patient_innen ein Fehler zu viel. Auch sehe ich große Fehlentwicklungen und Missstände im gesamten „Gesundheitssystem“, welche in der gemeinsamen Verantwortung von Ärzteschaft, Pharmaindustrie, Krankenkassen und Politik entstanden sind! Dieses alles rechtfertigt meines Erachtens aber nicht, dass ihr „die Ärzt_innen“ in Bausch und Bogen als vorrangig am eigenen Einkommen/Vorankommen und tendenziell skrupellose Wesen darstellt. Ich weiß, in fast allen dieser Artikel taucht dann irgendwo an sehr unspektakulärer Stelle der Hinweis auf, dass es natürlich auch „gute“ Ärzte gibt. Aber was bleibt bei einem solchen Aufmacher wie an diesem Wochenende wohl in den Köpfen der Leser_innen hängen? PETRA MESSERSCHMIDT, Frauenärztin, Vettweiß
Gesundheit darf keine Ware sein
■ betr.: „System der falschen Anreize“, taz vom 16. 2. 13
In einem System, wo die Gesundheit wie auch alles andere zur Ware wird, sind Fehlentwicklungen programmiert. In diesem Gesundheitssystem geht es nicht darum, dass der Mensch gesund wird oder bleibt, sondern einzig darum, Geld zu verdienen. Wenn also wirklich etwas verändert werden soll zum Wohle des Patienten, muss das Übel an der Wurzel gepackt werden. Gesundheit darf keine Ware sein. MICHAEL WOSSIDLO, Bremervörde
Krankes Gesundheitssystem
■ betr.: „Wenn Ärzte nicht mehr heilen“, taz vom 16. 2. 13
Bei mir schrillen allmählich sämtliche Alarmglocken, wenn ich höre, dass jemand aus meinem Familien- oder Bekanntenkreis holterdiepolter zur OP ins Krankenhaus kommt. Wenn es heißt, man sollte auf jeden Fall eine Zweitmeinung einholen, stellt sich ja auch gleich ein neues Problem: Viele Ärzte haben wochenlange Wartezeiten! Und wie kann ich wissen, ob der langjährige „Hausarzt des Vertrauens“ mit einer Überweisung zur OP nicht auch nur seine Schäflein ins Trockene bringen will? Mir ist unverständlich, wieso keine der „linken“ Parteien dieses Thema groß zu den kommenden Wahlen herausbringt? Dieses kranke Gesundheitssystem müsste doch von Grund auf ganz neu strukturiert werden! DAGMAR DORSTEN, Berlin