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Archiv-Artikel

Generalüberholung für Dayton-Verfassung

Bosnische Parteien einigen sich in Washington darauf, bis März 2006 Verfassungsänderungen auf den Weg zu bringen

SARAJEVO taz ■ Was den Europäern Tage zuvor nicht gelungen war, das schafften am Dienstagabend die Amerikaner. Sie brachten die acht wichtigsten bosnisch-herzegowinischen Parteien dazu, 10 Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton eine Absichtserklärung über wichtige Verfassungsänderungen abzugeben. Bis zum März 2006 sollen Veränderungen durchgesetzt werden, die einen effektiveren staatlichen Aufbau ermöglichen.

„Wir haben beschlossen, einen Prozess der Verfassungsreformen einzuleiten, der die Organe der Staatsregierung verbessern wird“, erklärten die Vertreter der bosnischen Muslime, Kroaten und Serben am Dienstag am Ende von dreitägigen Gesprächen in Washington. Einig sind sich die Parteien, die gesamtstaatlichen Strukturen und das Parlament stärken sowie eine Reform des dreiköpfigen Staatspräsidiums einleiten zu wollen.

Laut Dayton-Verfassung verfügt Bosnien und Herzegowina über einen schwachen Gesamtstaat, der in ethnisch definierte Entitäten und eine Ebene darunter in Kantone unterteilt ist. Das komplizierte System mit konkurrierenden Bürokratien verbraucht 70 Prozent des Steueraufkommens. Deshalb muss der Staatsaufbau effektiver werden.

Doch noch gibt es Widerstände. Zwar erkannten die Vertreter der serbischen Teilrepublik erstmals ihre Verpflichtung an, alle als Kriegsverbrecher gesuchten Personen an das Haager UN-Tribunal auszuliefern. Doch sie bestehen auf der Existenz der serbischen Teilrepublik. Demgegenüber wollen Muslime, Kroaten und vor allem die nichtnationalistischen Parteien die ethnisch definierten Grenzen abschaffen.

Als der Architekt des Dayton-Friedensabkommens, der US-Ex-Diplomat Richard Holbrooke, erklärte, es sei ein großer Fehler gewesen, damals einer „Republika Srpska“ als Teilstaat zuzustimmen, verließen die serbischen Delegierten den Raum. „Dieses Absichtspapier ist trotzdem ein Fortschritt“, erklärte gestern Botschafter Martin Ney.

Der Stellvertretende Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina ließ aber keinen Zweifel daran, dass „die Bosnier aller Volksgruppen einen Kompromiss finden müssen“, der für die EU akzeptabel ist. Morgen sollen Gespräche über ein „Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen“ mit der EU-Kommission beginnen. Er ließ durchblicken, dass die Absichtserklärung aus Washington dafür noch nicht ausreiche. „Die serbisch-bosnische Seite muss verstehen, dass der Zug nach Europa vom Bahnhof in Sarajevo und nicht vom Bahnhof in Belgrad abfährt.“

Ney spielte damit auf die Blockadehaltung der Serben gegenüber vielen Gesetzesvorhaben an. Zudem hoffen viele bosnisch-serbische Politiker noch auf einen Anschluss der bosnischen Teilrepublik an Serbien. Für die internationale Gemeinschaft jedoch kommt eine Teilung des Landes nicht infrage.

Dem Gründer der Partei für Bosnien, Expremier Haris Silajdžić, dagegen geht das Papier von Washington nicht weit genug. „Wir brauchen keine oberflächlichen Veränderungen, sondern eine Verfassungsreform, die den Namen auch verdient“, sagte er. ERICH RATHFELDER