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Archiv-Artikel

Nur für Mädchen und ihre Kolleginnen

BIZEPS Seht auf diese Körper: 79.725 Stunden im Fitnessstudio sind gut investiert. Das megaerfolgreiche US-Showensemble Chippendales gastiert mit seiner amüsanten Tanz- und Strip-Performance in Huxleys Neue Welt

Chippendales ist ein ironischer Kommentar auf die ausgelatschtesten Klischees weiblichen Begehrens

VON KIRSTEN RIESSELMANN

Im Jahr 2009 haben die Ensemblemitglieder des global operierenden Unternehmens „Men of Chippendales“ – und das hat der Firmenbuchhalter peinlich genau ausgerechnet – 79.725 Stunden im Fitnessstudio verbracht und bei ihren Auftritten rund 12.243 Tops zerrissen. Ein Aufwand, der sich lohnt – augenscheinlich für beide am Erfolg der Chippendales beteiligten Seiten.

Weltweit stehen aufgekratzte Damen Schlange, um gemeinsam mit ihren Kolleginnen eine „Ultimate Girls Night Out“ zu erleben. Seit geschlagenen 30 Jahren machen sie das schon so, und sie lassen sich den Eintritt, die Chippendales-Kalender und die Fotos, die sie mit den Halbnackten im Anschluss an die Show machen dürfen, einiges kosten. Und so bezahlen sie, kreischen und warten Showszene für Showszene auf die Chippendales-Klimax, also den Moment, in dem endlich das Top zerrissen wird. Dann rufen sie „Ja hallo!“, freuen sich und befühlen einem der serviceorientiert von der Bühne steigenden, dauerhaft lächelnden und sicher schwulen Tänzer selbstbewusst den Bizeps.

Eine Chippendales-Show ist hochprofessionell, brav und ein bisschen langweilig – allein, wie das weibliche Publikum vor der Bühne so unbedingt gewillt ist, Spaß zu haben, macht die Show zu einer Show.

Konkret sieht dieser ultimative Mädchenabend so aus: Neun Typen tanzen eine Nummernrevue vor, in der sie in einer Tour de Force sämtliche männlichen Role Models durchexerzieren, die sich die westliche Pop- und Pornokultur über die letzten hundert Jahre hinweg als für Frauen begehrenswert zu finden geeinigt hat: den Arzt, den Feuerwehrmann, den Cowboy, den Mafioso, den Piraten, den Businessman, den Schweißer, den Rocker, den Marinekapitän, den Getto-Gangster, den Spießer in der weißen Ripp-Unterhose und den James Bond.

Es gibt einen gedrungenen Bodybuilder, einen blondbezopften Kalifornier, einen frechen Sunnyboy, einen Schwarzen, einen Latino und noch einen Latino – für jeden Geschmack also was dabei. Den netten, zugänglichen, kumpeligen, jungenhaften Lad von nebenan geben die neun Männer, die strippenderweise pro Abend auf der Bühne stehen, allerdings alle.

Unterlegt mit recht zeitgemäßer Musik und angeleuchtet von einer schnell schaltenden Lichtregie lächelt sich also diese Truppe durch ein knapp zweistündiges Programm: stolziert im weißen Kapitänsanzug einher und zupft sich nach geschlagenen zehn Minuten Stolzieren die Handschuhe von den Fingern, wirft als 007 eine Dame aus dem Publikum gentlemanlike auf ein weiß bezogenes Himmelbett, führt in fluoreszierenden Stringtangas angedeutete Penetrationsbewegungen aus.

Wirklich geschmacklos wird es nur an einer Stelle: Drei Damen aus dem Publikum müssen auf der Bühne je eine Aufgabe erledigen – es gibt ein Fake-Date mit einem Chippendale zu gewinnen. Die Erste wird zum „sexy dance“ am lebenden Objekt genötigt, die Zweite soll einen „fake orgasm“ ins Mikrofon machen, ist aber augenscheinlich des Englischen nicht mächtig und versteht die Aufgabe nicht, die Dritte muss dann ein Kondom über eine Banane ziehen, die sich der Blondbezopfte an die entsprechende Stelle hält. Aua.

Alles in allem ist die Show – auch wenn einmal millisekundenlang ein paar nackte Popos zu angeleuchtet werden und dann in züchtiger Dunkelheit versinken – also eher Karneval in Köln als irgendwie annäherungsweise schwül. Bedeutet das, dass die Chippendales weibliches Begehren in einer fiesen Blödelshow blöd wegsublimieren? Dass heterosexuelle Frauen auch heute noch nur dann öffentlich Spaß am männlichen Körper haben dürfen, wenn der durch viel Freud’sche Verschiebungsarbeit verulkt wird – wenn also bei der Bauarbeiternummer andeutungsreich der Hammer durch die Beine geschwungen wird? Und ist es nicht zynisch, eine Dame aus dem Angestelltenmilieu mit Strähnchenkurzhaarfrisur auf die Bühne zu holen und als „hey, big spender“ zu inszenieren?

Vielleicht, aber es ist auch ein bisschen mehr, nämlich ein von Performern und Publikum ausagierter ironischer, vergnüglicher Kommentar auf die ausgelatschtesten Klischees von weiblichem Begehren. In dem geteilten Wissen, dass dies sowieso viel zu komplex wäre, um es auch nur annähernd in eine konsensfähige Bühnenshow packen zu können. Und man sich also der Einfachheit halber mit der Stanze amüsiert.

Nur eins: bitte in Zukunft darauf achten, dass der blondierte Sunnyboy mit dem perlweißen Grinsen, der bei der Spießernummer durch die Reihen tanzt und sich den Bizeps befühlen lässt, nicht mehr mit seinen weißen Tennissocken schweißige Abdrücke auf dem Hallenboden hinterlässt. Es geht hier doch nicht um den Einbruch des Realen.

■ Chippendales Ensuite Show, 2. bis 10. 1., Huxleys Neue Welt, Tickets unter: www.trinityconcerts.de oder (0 30) 78 09 98 10