: Steinbrück lästert über die „Last-Minute-Kanzlerin“
PARLAMENT Merkel lobt EU-Sparetat im Bundestag. Opposition nutzt Debatte für Generalabrechnung
BERLIN taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Einigung der EU-Staatschefs auf einen Sparhaushalt für die Europäische Union gelobt. Der Kompromiss sei „ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann“, sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung. Nötige Kürzungen seien mit Augenmaß vorgenommen worden. Der Kompromiss sende ein „klares Signal, dass wir zu mehr Wachstum und Beschäftigung kommen“.
Die Regierungschefs hatten sich vor knapp zwei Wochen in Brüssel auf einen Etat von höchstens 960 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 geeinigt. Im Vergleich zu den Vorjahren schrumpft damit das Budget zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union um 3 Prozent. Das EU-Parlament hatte bereits scharfe Kritik an dem Vorschlag geäußert. Es muss der Etatplanung noch zustimmen.
Merkel forderte die EU-Parlamentarier zu einer Einigung auf. Sie erwarte harte Diskussionen, sagte die Kanzlerin. Aber es seien alle gut beraten, „nicht vorrangig das Trennende zu sehen, sondern sich auf das Verbindende zwischen Rat und Parlament zu konzentrieren“. Die umstrittenen Kürzungen treffen auch innovative Bereiche. So soll die EU weniger Geld für Forschung ausgeben, ebenso sinken die Ausgaben für Telekommunikation, Transport und Energie.
Die Opposition nutzte die Debatte im Bundestag für eine Generalabrechnung mit Merkels Krisenpolitik. „Die Bundesregierung ist die treibende Kraft für einen Sparkurs, der andere Länder in die Depression und Verelendung treibt“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Merkels Strategie sei „weitgehend gescheitert“. Es sei nicht gelungen, den Kontinent zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu machen. „Europas Wirtschaft dümpelt weiter am Tiefpunkt“, sagte Steinbrück. Merkel sei eine „Last-Minute-Kanzlerin“ mit einer Neigung zum Nichthandeln und Lavieren.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete das Verhandlungsergebnis als „rückwärtsgewandt, unökologisch und unsozial“. Merkel zwinge der EU etwas anderes auf, als sie selbst in Deutschland praktiziert habe, sagte Trittin mit Blick auf Kriseninterventionen wie das Kurzarbeitergeld oder die Abwrackprämie. „Wer in einer Krise nur konsolidiert und nicht investiert, der verlängert die Krise.“
Linkspartei-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht warf der Regierung vor, sie schaffe Banken eine „wunderbare Vollkasko-Verlustversicherung“. Bei den Plänen für eine europäische Bankenunion könnten sich die Finanzinstitute darauf verlassen, dass der Steuerzahler hafte. Die Regierung führe eine negative Vermögensteuer ein, kritisierte Wagenknecht. Die Allgemeinheit müsse auf gute Schulen und auskömmliche Renten verzichten, um die Vermögen von Millionären zu schützen. ULRICH SCHULTE