Befehlsverweigerung der Roben-Träger

Die vier obersten Gerichtspräsidenten und die Generalstaatsanwältin zeigen CDU-Justizsenator Roger Kusch die kalte Schulter. Sie weigern sich, ihre Gesetzeskompetenzen bei der Richtereinstellung an Kusch abzugeben. Opposition wittert schwarzen Filz

von Kai von Appen

Aufstand der Richterschaft gegen CDU-Justizsenator Roger Kusch: Die Präsidenten der vier obersten Hamburger Gerichte und Generalstaatsanwältin Angela Uhlig van Buren haben gegen Pläne der Justizbehörde beamtenrechtlich remonstriert – also Kusch die Gefolgschaft verweigert. Seine Behörde will künftig bei Einstellungen von RichterInnen eine Vorauswahl treffen und somit den Präsidenten die Personalauswahl entziehen. „Wir halten das für rechtswidrig“, betonte gestern Wilhelm Rapp, Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) in einem spontan einberufenen Pressegespräch im Saal 226 des OLG-Gebäudes.

Rapp und seine Präsidentenkollegen Rolf Gestefeld vom Hanseatischen Oberwaltungsgericht (OVG), Henning Kisch vom Landesarbeitsgericht und Michael Ruppelt von Landessozialgericht hatten dazu geladen, nachdem Justizstaatsrat Carsten Lüdemann vortags vor einer Gruppe handverlesener Journalisten den Präsidenten gedroht hatte, sie durch eine „Anweisung“ zur Umsetzung der Vorgaben zu zwingen. „Wir würden nicht zu dieser außergewöhnlichen Veranstaltung einladen, wenn das Kleinkram wäre“, beteuert Rapp, „wir sind in großer Sorge.“

Der Hintergrund: Seit Jahrzehnten ist es in Hamburg Praxis, dass die Präsidenten und die Generalstaatsanwältin für ihre Behörden die Personalauswahl bei Neueinstellungen selbst vornehmen. 1985 ist diese Praxis sogar auf Drängen der damaligen CDU-Opposition auf eine gesetzliche Basis gestellt worden, indem in großer Koalition entsprechende Paragraphen in das hamburgische Ausführungsgesetz des Gerichtsverfassungsgesetzes aufgenommen worden sind. „Das sollte jegliche politische Einflussnahme in der Justiz verhindern“, erläutert Rapp.

Die Präsidenten und die Generälin leiten dann ihre Vorschläge an den Justizsenator weiter. Dieser kann sie ablehnen oder an den Richterwahlausschuss weiterleiten. „Es hat nie irgendwelche Beanstandungen gegeben“, sagt Rapp. Der Richterwahlausschuss ist ebenfalls Hanseatisches Spezifikum – ein politischen Gremium, in dem zwar die regierende Partei die einfache, aber nicht die absolute Mehrheit hat. Zurzeit hat die CDU sechs und die anderen Parteien haben acht Mandate. Der Ausschuss schlägt dann dem Hamburger Senat die Kandidaten zur Ernennung vor.

Diese Praxis soll zum 1. Dezember geändert werden. „Aus heiterem Himmel“, berichtet Rapp, sei ein Brief gekommen, „alle Akten, die wir haben, an die Justizbehörde zu schicken“. Diese will dann den Präsidenten aus den Bewerbungen für alle Gerichte „geeignete Kandidaten“ vorschlagen, woraus die Präsidenten wiederum ihre Favoriten benennen sollen. „Ich kann das nur seriöserweise machen“, so Rapp, „wenn ich die Übersicht über alle Bewerber habe.“

Die Forderung Kuschs bringt die Präsidenten und die Generälin in Rage. In einem Brief teilen sie der Behörde mit, „dass das so nicht geht“, formuliert es Rapp. „Solange wir das Gesetz haben, würden wir uns auch gern daran halten.“ Mit Spannung warten sie nun darauf, ob sie von ihrem Dienstherrn gezwungen werden, die „gesetzeswidrigen“ Vorgaben zu erfüllen. „Wenn wir diese Anweisung bekommen“, konstatiert Rapp, „wäre das ein einzigartiger Vorgang in der Justizgeschichte.“

Die Oppostion verurteilt entschieden den Entmachtungsversuch der Gerichtspräsidenten und den Angriff auf die Unabhängigkeit der Gerichte. „Kusch will politisch genehme, und nicht fachlich geeignete Bewerber“, schimpft der SPD-Rechtsexperte Rolf Dieter Klooß. „Der Name Kusch steht für schwarzen Filz.“ Für Anwalt Ernst Medecke, GAL-Vertreter im Richterwahlausschuss, ist das Vorhaben „ein weiterer Fall von Machtmissbrauch“. Schon im Sommer habe Kusch eigens eine Stellenausschreibung geändert, um den Richter-Job einer CDU-Fraktionsmitarbeiterin zuzuschanzen.