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Archiv-Artikel

die taz vor 14 jahren über merkels politische unschuld und die alten männer

Die Fassungslosigkeit, mit der Angela Merkel ihr katastrophales Wahlergebnis von Kyritz aufnahm, machte für einen Moment lang die ganze Brutalität der vorausgegangenen Inszenierung sinnfällig. Gescheitert ist in Kyritz der Versuch, die jugendlich-unverbrauchte Politikerin aus dem Osten für die überkommen-perspektivlose Personalpolitik der Bonner Parteizentrale zu instrumentalisieren. Hätte sich die Frauenministerin nicht in erster Linie als Bonner Verhinderungskandidatin gegen den Parteilinken Ulf Fink ins Rennen drängen lassen, sie hätte die Niederlage gegen den routinierten Querkopf unbeschadet wegstecken können. Aus dem durchsichtigen Machtspiel eines Volker Rühe jedoch, in das sie sich einbinden ließ, geht sie beschädigt hervor. Nur der Erfolg hätte vergessen lassen, daß sie ihre politische Unschuld in den Dienst der ausgebufften, alten Männer aus dem Adenauerhaus stellte. Nach dem Mißerfolg jedoch bleibt allein das in Erinnerung.

Um die undankbare Aufgabe, die christlichen Opportunisten von einst aus den Schlüsselpositionen zu drängen, ist Angela Merkel mit ihrer Niederlage herumgekommen. Doch jetzt, nach dem Brandenburger Absturz und dem jähen Ende ihres politischen Höhenrausches wird sie sich fragen müssen, ob der stellvertretende Bundesvorsitz, für den sie nominiert wurde, nicht zu groß ist. Ob sie sich nach der gescheiterten Inszenierung vom Wochenende noch einmal als handzahme, aber überforderte Kandidatin der Parteispitze das Frauen- und Ost-Profil der Union repräsentieren will könnte über ihre politische Zukunft entscheiden. Matthias Geis, 25. 11. 1991