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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Militäreinsatz als schnelle Lösung

■ betr.: „In der Militärlogik“ von Thomas Gebauer, taz vom 21. 2. 13

Endlich mal ein fundierter Beitrag über Mali und darüber hinaus! Es ist frustrierend, mitansehen zu müssen, dass wieder einmal ein Militäreinsatz als schnelle Lösung gilt, aber in Wirklichkeit nur von grundsätzlichen Problemen ablenkt, deren Lösung jahrzehntelang vernachlässigt wurde. Wie Gebauer aufzeigt, haben die EU und ihre Mitgliedstaaten nicht nur versäumt, auf interne Fehlentwicklungen zu reagieren, sondern durch ihre Freihandelspolitik für das Entstehen gravierender wirtschaftlicher und sozialer Missstände gesorgt. Dazu gehört, dass Mali von europäischen Politikern und Medien seit den neunziger Jahren als westafrikanische Musterdemokratie gelobt wurde, als bereits weithin sichtbar war, dass das Verhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung längst zerrüttet war. Bleibt zu hoffen, dass der Appell, die EU-Exportsubventionen zu stoppen, für gerechte wirtschaftliche Austauschverhältnisse zu sorgen, die Zivilgesellschaft zu stärken und als politischen Akteure ernst zu nehmen, endlich Gehör findet und zu konkreten Aktionen führt, durch die ähnliche Entwicklungen in Afrika und anderswo vermieden werden können. EVA MARIA BRUCHHAUS, Köln

Ein zentrales Thema wird tabuisiert

■ betr.: „Das große Saubermachen“, taz vom 18. 2. 13

Ich leide zeit meines Lebens darunter, dass unsere Gesellschaft mit dem Thema Sexualität höchst ambivalent umgeht. Während in vielen Medien – vermutlich als Kompensation zur individuellen Scham – Sexualität häufig präsent ist, scheuen die meisten Menschen ihre Thematisierung im Alltag weitgehend. Ein für uns Menschen zentrales Thema wird immer noch tabuisiert und in die sogenannte Privatsphäre verdrängt. Als ich mich vor einiger Zeit im Kolleg_innenkreis als bisexuell outete, warf mir ein Vorgesetzter „sexuelle Belästigung“ vor. Sein Argument: Schon die Thematisierung von Sexualität sei eine Form der Belästigung. Wie sollen wir uns in einer solchen Atmosphäre zu freien, glücklichen und unverklemmten Menschen entwickeln können?

HEINZ PETER LEMM, Hamburg

Mangel an Sensibilität

■ betr.: „Pippi Langstrumpf erzählt vom Kolonialismus“, taz vom 20. 2. 13

Kürzlich durfte ich in Freiburg eine „Unterhaltung“ zwischen einer jungen schwarzen Frau, die nach einer Adresse suchte, und einem Einheimischen miterleben: Ein wild gestikulierender Mittvierziger ruft der sichtlich verwirrten Frau ins Gesicht: „No, this not number 230, you cannot read? Open your eyes!“ Man fragt sich, warum der Herr meint, schreien zu müssen. Soweit ersichtlich, litt die Suchende nicht an einem Hörfehler. Es sei dahingestellt, ob manche Menschen mit anderen generell unverschämt umgehen, oder ob in diesem Fall Rassismus im Spiel war. Fest steht, dass es in Deutschland einen erstaunlichen Mangel an Sensibilität im Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten gibt.

Bei der Rassismusbekämpfung hinkt unsere Gesellschaft anderen Ländern immer noch weit hinterher. Offensichtlich ist die Mehrheit der weißen Bevölkerung nicht bereit oder fähig, gelegentlich die Perspektive zu wechseln. Während sich in Großbritannien die Menschen für diskriminierende Aussagen, die ihnen möglicherweise nicht bewusst waren, in der Regel entschuldigen, ist hierzulande eher die schnippische Reaktion der beleidigten Leberwurst üblich.

JAN SCHWAB, Freiburg

Ein historisches Dokument

■ betr.: „Pippi Langstrumpf erzählt vom Kolonialismus“, taz vom 20. 2. 13

Insgesamt mutet die Debatte über das, was Otoo nur „das N-Wort“ nennt, doch ziemlich irrational an. Da wird verbissen diskutiert, ob man in einem Kinderbuchklassiker „Neger“ sagen darf. Ich verstehe Frau Otoo, wenn sie sagt, dass sie und andere schwarze Menschen sich vom „N-Wort“ diskriminiert fühlen. Dennoch sehe ich einen gewissen Unterschied zwischen leider immer noch alltäglichen Rassismen wie „Ich bin doch nicht dein Neger!“ und der Verwendung in Pippi Langstrumpf. Das heißt nicht, dass wir unsere Kinder mit rassistischem Gedankengut aufwachsen lassen sollen. Ich hatte selbst – als Kind der achtziger Jahre – noch ein „Zehn kleine Negerlein“-Buch in meinem Kinderzimmer. Ganz sicher werden meine Kinder dieses Erbstück nicht bekommen! Aber im Geschichtsunterricht werde ich es verwenden. Hier stellt sich nämlich auch die Frage, ob man das Buch denn nicht einfach als das sehen kann, was es eben auch ist: ein historisches Dokument. Vielleicht sollte man einfach mit Kinderbüchern tun, was man mit historischen Erwachsenenbüchern schon immer tut: Fußnoten einfügen. Vorschlag: „Da steht jetzt ‚Neger‘, das war zu der Zeit, als das Buch geschrieben wurde, noch normal, das darf man aber heute nicht mehr sagen, es wird als Beleidigung empfunden!“ MARTIN JAHN, München