: „Kein Totentanz, sondern Neuanfang“
KAHLSCHLAG Mehrere tausend Menschen demonstrieren in Itzehoe gegen die Schließung der Prinovis-Tiefdruckerei. 1.000 Mitarbeiter sind davon betroffen. Ver.di fordert einen Sozialtarifvertrag
HELMUT SEIFERT, STADTMARKETING
Die Kirchenglocken läuteten in ganz Itzehoe, um den Ernst der Lage zu untermauern, als die Demonstration Mittags den Berliner Platz erreichte. Zuvor waren mehr als 2.000 Menschen von der Prinovis-Druckerei mit 1.500 Trillerpfeifen, Tröten und Transparenten ins Zentrum gezogen, um gegen die für den Sommer 2014 angekündigte Schließung der Tiefdruckerei zu protestieren.
Für die Stadt Itzehoe mit ihren 32.000 Einwohnern und die ländlichen Region im Kreis Steinburg ist die Nachricht von der Schließung ein Fiasko. 750 Druckereiarbeiter und 250 Leiharbeitskräfte würden auf einen Schlag ihren Job verlieren. Prinovis ist der drittgrößte Arbeitgeber in der Region. Für Prinovis-Betriebsrat Helmut Böttger war die Demonstration aber kein Trauermarsch. „Wir wollen heute ein Signal setzen, dass wir gut ausgestattet werden für die Zukunft“, sagte Böttger. „Es ist fünf nach zwölf, doch das bedeutet für uns nicht ‚Totentanz‘, sondern das Ende einer langen Geschichte und damit gleichzeitig den Anfang einer neuen Geschichte“, kündigte Martin Dieckmann von der Gewerkschaft Ver.di an. „Diese Schließung betrifft uns alle und bedroht uns alle in unserer Existenz“, sagte Helmut Seifert vom Stadtmarketing-Verein „Wir für Itzehoe“.
Und deshalb waren auch alle gekommen. Kirchen-Vertreter, Politiker, Betriebsräte regionaler Firmen, Vertreter des örtlichen Einzelhandels, Vereine, Sportclubs und die Feuerwehr. In seiner Rede forderte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) die Prinovis-Anteilseigner auf, zu ihrer Verantwortung zu stehen. Die Kieler Landesregierung werde „beharrlich daran arbeiten, dass es eine Zukunft gibt, und zwar für jeden Einzelnen“, sagte der Wirtschaftsminister.
Prinovis ist 2006 ist als Joint Venture der Drucksparten der Großverlage Bertelsmann und Springer geründet worden, zu dem im Norden auch eine Druckerei in Ahrensburg gehört. Privonis-Boss Bertram Stausberg hält die Itzehoer Ex-Gruner-Druckerei im Vergleich zu den vier anderen Standorten für zu teuer. Die Beschäftigte gehen davon aus, dass hinter der Entscheidung maßgeblich Bertelsmann-Chefin Liz Mohn steckt.
Die Gewerkschaft Ver.di fordert nun den Abschluss eines Sozialtarifvertrages, in dem hohe Abfindungen und eine Transfergesellschaft auf für Leiharbeiter sowie Infrastruktur-Maßnahmen zum Ausgleich für die Region festgeschrieben werden. KAI VON APPEN