: „Ich mag das Wort Privatisierung nicht“
Während es die Bahn AG nach Hamburg zieht, hat der Wettbewerber Connex gerade seine Verwaltung an die Spree verlegt. Connex-Vorstand Hans-Peter Leister über Berliner Wirtschaftspolitik und öffentlich-private Kooperationen
taz: Herr Leister – Berlin und die Wirtschaft. Wie denkt einer wie Sie darüber, der im Vorstand von Connex sitzt und gleichzeitig Mitglied des Managerkreises der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ist?
Hans-Peter Leister: Wir sind mit der Connex-Verwaltung für Deutschland im letzten Jahr von Frankfurt nach Berlin gekommen, Connex hat hier auch den neuen Unternehmensbereich für Zentraleuropa angesiedelt. Von Berlin aus betreut Connex jetzt auch Polen, Tschechien, Österreich, die Schweiz und weitere Länder. Überregionale Dienstleister wie wir, das ist es ja auch, was man in Berlin haben will.
Aber noch viel zu wenig hat.
Natürlich gibt es noch die verlängerten Werkbänke der Industrie der „Mauerstadt“ aus vergangenen Zeiten. Es mangelt tatsächlich an dem, was die Wirtschaft der Hauptstädte anderer Länder ausmacht. Zum Beispiel gibt es in Berlin kaum Hauptverwaltungen internationaler Unternehmen.
Woran liegt das? Auch an der Berliner Wirtschaftspolitik?
Es gab und gibt hier immer wieder interessante Ansätze. Zum Beispiel die Einbeziehung privater Partner bei öffentlichen Dienstleistungen. Da gibt es sicher noch mehr Möglichkeiten.
Ein Plädoyer für eine noch viel offensivere Privatisierungspolitik?
Ich mag das Wort Privatisierung eigentlich nicht. Im Grunde geht es doch darum, für bestimmte Dienstleistungen eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Unternehmen zu finden.
Wo gäbe es diese Potenziale noch?
Nehmen Sie die Stadtreinigung. Da könnte man mit der Einbindung von Privaten sehr viel machen.
Und natürlich auch bei der BVG und der S-Bahn. Daran ist Connex ja auch als Wettbewerber interessiert.
Eine Öffnung wäre wünschenswert. Eine Aufgabe, die eine Stadt zu erfüllen hat, muss sie nicht notwendigerweise selbst erledigen. Damit kann man viel offensiver umgehen. Auch im Sinne der Haushaltskonsolidierung.
Berlin hat in der Vergangenheit sehr großen Wert darauf gelegt, sich als Kompetenzzentrum für Verkehrstechnik zu positionieren. Mit Erfolg?
Mit großem Erfolg. Nehmen Sie nur die Verkehrsmesse Innotrans. Oder die Unternehmen, die hier tätig sind: Siemens, Bombardier, Knorr-Bremse. Und dann gibt es mit der Firma Stadler noch einen neuen Wettbewerber, der auf diesem Gebiet sehr erfolgreich ist. Diese Nähe zur Industrie war auch ein Grund dafür, dass wir von Frankfurt nach Berlin gekommen sind.
Welche Möglichkeiten hat bei alledem eigentlich noch die Wirtschaftspolitik?
Sie kann solche Dinge zu bündeln versuchen, wie zum Beispiel bei der Verkehrstechnik. Ansonsten sind die Möglichkeiten aber sehr gering. Da mal ein bisschen fördern, da mal ein bisschen locken. Da wird viel überschätzt und der Wirtschaftssenator manchmal für Dinge geprügelt, für die er nichts kann.
Sie meinen etwa Samsung.
Man ist nie vor unternehmerischen Fehlentscheidungen gefeit. Und auch nicht davor, dass manche Unternehmen Strukturentscheidungen treffen, um den ein oder anderen Standort elegant loszuwerden.
Gibt es eine Reindustrialisierung auf niedrigem Niveau?
Schwer zu sagen. Neuansiedlungen wie Stadler sind natürlich Beispiele, die Mut machen. Auf der anderen Seite gibt es viele Industrieunternehmen gerade im ehemaligen Ostberlin, bei denen die Bindefrist für die Förderung, die sie einst von der Treuhand bekamen, demnächst ausläuft. Da können noch Schwierigkeiten auf Berlin zukommen.
INTERVIEW: UWE RADA