Schwarzgeldabkommen mit der Schweiz: Steuerhinterzieher bleiben anonym
Für die einen ist das Steuerabkommen ein "Belohnungspaket für deutsche Steuerkriminelle", für die anderen "ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit".
BERLIN taz | Nach jahrelangem Streit und monatelangen Verhandlungen haben sich die Schweiz und Deutschland auf ein Steuerabkommen geeinigt. Der Vertrag, der den Umgang mit deutschem Schwarzgeld in der Schweiz regelt, wurde am Mittwoch in Bern von Vertretern beider Regierungen paraphiert.
Der genaue Text des Vertrags, der noch von Kabinett, Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden muss, ist noch nicht veröffentlicht, die zentralen Inhalte gab das von Wolfgang Schäuble (CDU) geführte Bundesfinanzministerium am Mittwoch bekannt: Demnach soll auf Schwarzgeld, das in der Schweiz vor dem deutschen Fiskus versteckt wurde, nachträglich eine pauschale Steuer bezahlt werden; je nach Dauer und Wertentwicklung der Anlage soll der Steuersatz zwischen 19 und 34 Prozent der Anlagesumme liegen; unmittelbar nach Inkrafttreten des Abkommens sollen die Schweizer Banken einen Abschlag in Höhe von zwei Milliarden Franken (rund 1,9 Milliarden Euro) bezahlen. Im Gegenzug für die nachträgliche Besteuerung sollen Steuerflüchtige nicht mehr rechtlich verfolgt werden.
Auf künftige Schweizer Kapitalerträge soll, wie in Deutschland, eine Abgeltungsteuer in Höhe von gut 26 Prozent bezahlt werden. Diese wird von den Schweizer Banken selbst erhoben. Die Kontoinhaber bleiben weiterhin anonym. Nur bei begründetem Verdacht können deutsche Steuerbehörden Namen anfordern - und das auch nur in maximal 999 Fällen innerhalb von zwei Jahren. Das Abkommen könnte Anfang 2013 in Kraft treten; Anleger, die ihr Geld vorher aus der Schweiz abziehen, blieben unbehelligt, hieß es aus dem Finanzministerium. Schätzungen zufolge liegen 100 bis 200 Milliarden Euro aus Deutschland in der Schweiz.
Die Kaltblütigsten kommen am besten weg
Während der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Volker Wissing, das Abkommen als Beitrag für "mehr Steuergerechtigkeit" lobte, stießen die Pläne bei Opposition und Verbänden auf scharfe Kritik. Es handele sich um eine "Amnestie durch die Hintertür" und den "Ausverkauf deutscher Hoheitsrechte", kritisierte der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, gegenüber der taz. "Diejenigen, die am kaltblütigsten abgewartet haben, würden am besten wegkommen." Zusammen mit dem Netzwerk Steuergerechtigkeit und der Initiative Campact protestierte die Steuergewerkschaft in Berlin gegen das Abkommen und kündigte eine Onlinepetition an.
Der Rechtsexperte der Linkspartei, Wolfgang Nescovic, nannte das Abkommen ein "Belohnungspaket für deutsche Steuerkriminelle und ihre Schweizer Helfer". Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick kritisierte, mit dem Abkommen unterlaufe die Bundesregierung "sämtliche Bemühungen auf EU-Ebene, konsequent mit einem Informationsaustausch gegen Steuerhinterziehung vorzugehen". SPD-Fraktionsvize Joachim Poß erklärte, das geplante Abkommen verletze "das Rechtsempfinden jedes ehrlichen Steuerzahlers". Eine Zustimmung sei schwer vorstellbar, so Poß: "Irgendwo liegt eine Grenze, die nicht überschritten werden darf."
Doch ob die SPD die Möglichkeit nutzt, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen, ist offen. Denn von den erwarteten Einnahmen würden auch die Länder profitieren. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) wollte sich nicht auf eine Ablehnung festlegen. Weil der genaue Text des Abkommens noch nicht vorliege, handele es sich um einen "sehr schwer zu bewertenden Kompromiss", den die Länder "auf Herz und Nieren prüfen" würden.
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