Comicverfilmung "Captain America": Der Captain für die Kids

Postironischen Popcorn-Patriotismus betreibt "Captain America" von Joe Johnston. Mit 3-D-Effekten und ohne Skepsis gegenüber Amerika und seinen Helden.

Ziemlich aufgepimpt: Chris Evans als Steve Rogers aka Captain America. Bild: dapd/Paramount Pictures

Dies ist der Kino-Sommer der Superhelden aus den großen amerikanischen Comic-Häusern DC und Marvel. Und wie der Verlierer an den Kinokassen - der etwas bräsige "Green Lantern" von DC - so scheint nun auch der Sieger festzustehen: der No-Nonsense-Held "Captain America". In den 40er Jahren durfte er Nazis vermöbeln und für Kriegsanleihen werben und in den 60er Jahren seine Wiederauferstehung bei Marvel erleben, unter anderem als nicht unumstrittener Anführer des Superhelden-Teams "Avengers". Captain America war ein "Hero with problems" - und das Problem von Captain America war - Amerika.

Nichts davon ist in dieser Filmversion zu spüren, die zu den Anfängen des Helden im Zweiten Weltkrieg zurückkehrt. Der schmächtige Steve Rogers - Chris Evans mit digital reduzierten Body-Maßen - würde so gerne seinem Vaterland dienen, doch wegen Asthma und Herzleiden wird er immer wieder zurückgewiesen.

Ein aus Deutschland entflohener Wissenschaftler (Stanley Tucci) verwandelt ihn durch ein Serum in den Supersoldaten "Captain America" - Chris Evans nun mit echtem, durchtrainierten Körper. Bei einem Anschlag feindlicher Agenten verliert der väterliche Freund das Leben, der Held muss seinen Weg alleine finden. Der führt ihn zuerst einmal auf die Bühnen patriotischer Shows, doch die rauen Soldaten des "echten" Krieges zeigen ihm buchstäblich den Arsch.

Regie: Joe Johnston. Mit Chris Evans, Tommy Lee Jones, Hugo Weeving. USA 2011, 124 Min.

Die Mission beginnt

Jetzt muss Steve Ernst machen - bis dahin war alles eine ziemlich gekonnte Volte, das Grundproblem aller Superhelden zugleich zu benennen und zu überwinden: die Lachhaftigkeit. Seine Mission beginnt, die Befreiung von alliierten Soldaten aus den Klaunen eines gewissen Herrn Schmidt, der sich, um aus dem Schatten des "Führers" zu treten, in den "Red Skull" verwandelt hat und eine Armee von Klonkriegern und eine Organisation namens Hydra führt. Das gibt dann genügend Gelegenheit fürs Rumsen, Krachen, Rennen, Explodieren, Zuhauen, Schießen und Plattwalzen. Und Cap lernt seinen unzerstörbaren Schild als tolle Waffe einzusetzen.

Was auch Gelegenheit für zwei, drei der aufgepappten 3-D-Effekte gibt, die ansonsten zu vernachlässigen sind, einmal schneit es noch ganz hübsch im Zuschauerraum. "Captain America" kommt und geht zur Sache. Die Macher der Comicverfilmung haben keinerlei Skrupel, exemplarisch die drei Ideale zu erfüllen, die ein weißer, konservativer, amerikanisch-ländlicher Junge aus der unteren Mittelschicht auch heute noch haben soll: Sich als verlässlicher Amerikaner zeigen. Ein echter Mann werden. Und ein guter Mensch bleiben.

Davon, dass diese drei Tugenden auch untereinander heftig in Konflikt geraten können, wie es der späte Captain America bei Marvel immer wieder erleben musste, findet sich hier kaum eine Spur. Auch das macht den etwas märchenhaften Ton des ganzen Unternehmens aus: "Captain America" spielt in einer Traumzeit, in der Superhelden noch geholfen haben.

Das Vergnügen an diesem Film entsteht vor allem durch den Look und den Sound der 40er Jahre. Regisseur Joe Johnston hat schon in der Verfilmung der "Rocketeer"-Comics sein Faible für retrofuturistische Pastiches gezeigt. Es ist dieses "Steampunk"- und Fake-Jugendstil-Gefühl, das der Moderne noch einmal eine Unschuld gibt, und in dem Busby-Berkeley-Tanzfilme noch allemal Leni Riefenstahl schlagen.

Das Missvergnügen dagegen, zumindest für uns liberalkritische Europäer, entsteht aus der Unbekümmertheit, mit der hier aus historischen Versatzstücken ideologische Module und durchschaubare Feindbilder gewonnen werden. So als wäre der "Krieg gegen den Terror", den Amerika nicht gewinnen kann, aber auch nicht verlieren, solange es Kerle wie den Cap gibt, tatsächlich der Schatten jenes gerechten Krieges gegen Nazideutschland.

Cap selber ist hier von jedem Zweifel und Selbstzweifel frei; er kann nie so sarkastisch neben sich stehen wie Spiderman, nie so lustvoll eine extensive Arschlöchigkeit ausspielen wie Ironman. Er ist der Spirit of America, der demokratische Held, der Junge von nebenan, den auch die Mädchen übersehen haben, bis er, dem Kraftraum und der richtigen Einstellung sei Dank, zum Superamerikaner wird. Wie oft ist dieses politische, sexuelle, moralische Männerbild schon demontiert worden, und wie oft ist es wiederauferstanden. Phönix gegen Hydra, das ists, worum es um Superhelden-Kosmos geht.

Auch hier muss Captain America "sterben" - und erwacht im New York der Gegenwart. Denn auch "Captain America" ist nur die Vorgeschichte zu einem noch größeren Franchise, des großen "Avengers"-Films. So geht es auch auf dieser Ebene darum, Traditionen, Bilder und Phantasmen aus der Popgeschichte in die Gegenwart zu holen. Mal sehen, wie lange Cap seine Unschuld bewahren kann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.