CDU nennt Finanzsenator „dilettantisch“

Bremens Gutachter fragt, was passieren soll, wenn es in Bremen nicht Goldstücke regnet. CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau fordert empört, dem Finanzsenator die Federführung für die Klage vor dem Verfassungsgericht zu entziehen

Bremen taz ■ Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmut Perschau ist stocksauer. „So geht das nicht“, sagt er, und in einer für ihn ungewohnten Schärfe: „Ich bin empört.“ Der Gutachter des Landes Bremen für die Vorbereitung der Verfassungsklage, Helmut Seitz, der schon in dem Entwurf des Gutachtens dem Land geraten hatte, selbstkritisch und freiwillig das Scheitern der Bremer Sanierungsstrategie einzuräumen (taz berichtete), hat in einem achtseitigen „Anhang“ verschiedene Modelle für eine Sanierungsstrategie durchgerechnet. Dabei gesteht er ein, dass er „keine sinnvolle Lösung“ gefunden hat, wie unter realistischen Annahmen der Hilfeansprüche die Finanzlage nachhaltig stabilisiert werden könnte. „Eine Lösung dieses Problems dürfte in der gegenwärtigen finanzstaatlichen Ordnung nicht möglich sein“, schreibt der renommierte Dresdener Finanzwissenschaftler Helmut Seitz – weil es auch um Verteilungskonflikte gehe. „Möglicherweise“, folgert er, könne Bremen „nur als Teilglied eines größeren Staatengebildes“ der dauernden Haushaltskrise entkommen. Und Seitz deutet an, was unter Fachleuten schon lange kein Geheimnis mehr ist: In den anstehenden neuen Verhandlungen um die föderale Finanzausstattung zwischen Bund und Ländern könnte es genau darum gehen.

Er könne sich nicht vorstellen, dass der Gutachter den Auftrag gehabt habe, sich über solche Dinge Gedanken zu machen, poltert nun Perschau. Er verlangt von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), die Vorbereitung der Klage zur Chefsache zu machen – die Art, wie der auf SPD-Ticket reisende Finanzsenator, sein Nachfolger Ulrich Nußbaum, seine Arbeit mache, sei „dilettantisch“. Nußbaum „schadet dem Ansehen des Landes Bremen“, formuliert der CDU-Fraktionsvorsitzende in einer schriftlichen Presseerklärung in Anspielung auf den Amtseid des Finanzsenators.

Was Perschau nicht zu wissen scheint: Der Dresdener Finanzwissenschaftler ist kein Gutachter der Sorte, die sich von einem Auftraggeber Vorschriften machen lassen, was er denken darf und was nicht. Seitz ist ein in der Fachwelt anerkannter Experte. So hat er 2004 ein finanzwissenschaftliches Gutachten erstellt über „die finanzpolitischen Voraussetzungen einer Fusion der beiden Länder Berlin und Brandenburg“. Seitz geht davon aus, dass ein Haushaltsnotlage-Land nicht einfach verlangen kann, dass seine im Haushalt fehlenden Millionen von den anderen erstattet werden. Genau dies war aber die Haltung, mit der Perschau als Finanzsenator auf den „Kanzlerbrief“ verwiesen hat und ansonsten abwartete, was passieren würde. Bekanntlich passierte nichts.

Der Gutachter hatte die in der bundesweiten Finanzdiskussion verbreitete Auffassung vertreten, dass als „Eigenbeitrag“ von Haushaltsnotlage-Ländern verlangt wird, in den Ausgaben zumindest für einen Zeitraum deutlich unter den vergleichbaren „Benchmark“-Ausgaben anderer zu bleiben. Da wegen der oberzentralen Funktionen Bremens eine Einwohnerwertung von 135 Prozent anerkannt sei, läge der Eigenbeitrag Bremens etwa bei einem Ausgabenniveau von 125 Prozent, so der Gutachter. De facto liegt das Bremer Ausgaben-Niveau aufgrund der hohen Investitionsausgaben deutlich über den 135 Prozent des Bundesdurchschnitts pro Einwohner. Perschau lehnt ein Absenken der Ausgaben unter 135 Prozent ab, weil Bremen in der Klage begründen soll, dass ein Stadtstaat aufgrund der oberzentralen Funktionen einen höheren Prozentsatz benötigt. „Da stelle sich die Frage, warum es mit 125 gehen soll.“ Aber selbst ein auf 125 Prozent abgesenktes Ausgaben-Niveau, so Seitz, würde Bremen nicht viel nützen, wenn das kleinste Bundesland nicht gleichzeitig den Schuldenberg von 12,6 Milliarden Euro abgenommen bekommen würde – das aber sei „völlig unrealistisch“. Deshalb, so Seitz im Anhang zu seinem Gutachten, müsse man „nach anderen Optionen suchen“. In seinem Gutachten zur Fusion Berlin-Brandenburg hatte er Vorschläge für einen Interessenausgleich formuliert, der dazu führen könnte, dass die „Geberländer“ nicht mehr zahlen müssen, Berlin und Brandenburg aber Chancen einer Fusion nutzen können. Klaus Wolschner