: „Herr Ministerpräsident, verarschen Sie uns nicht“
BER Potsdamer Landtag nimmt Volksbegehren zum Nachtflugverbot an. Skepsis bei der Opposition
Vom Acker habe Brandenburg sich gemacht, hat ihm Klaus Wowereit vorgeworfen. Zurücktreten soll er als BER-Aufsichtsratschef, fordern der Kaufleute-Klub VBKI und die Berliner CDU, die ihn zudem auf einem „verantwortungslosen Egotrip“ sieht.
Matthias Platzeck musste mächtig Kritik einstecken, seit er beim Volksbegehren Nachtflugverbot am BER umschwenkte. Am Mittwoch verteidigt er im Brandenburger Landtag seinen Schritt. Das Parlament folgt ihm: Neben fast der kompletten rot-roten Koalition stimmen alle Grünen und einzelne Abgeordnete von CDU und FDP für die Annahme des Volksbegehrens.
Die Initiative zum Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr hatte im Herbst über 106.000 gültige Unterschriften gesammelt. Nötig waren 80.000. Die Gesetzgebung sah nun einen Volksentscheid vor, falls der Landtag das Begehren nicht annimmt. Seit Dezember wuchs der Druck auf die SPD, auch seitens des Koalitionspartners Linkspartei.
Auch wenn 62 von 81 Stimmen Platzeck stützen, bei 5 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen: Eine Liebeserklärung ist das nicht. Selbst die Grünen sind skeptisch, ob Platzeck nicht nur aus taktischem Kalkül wegen der Landtagswahl 2014 umschwenkte und das längere Nachtflugverbot wirklich umsetzen will. Krasser drückt es Hans-Peter Goetz (FDP) aus: „Herr Ministerpräsident, verarschen Sie uns nicht. Sonst bricht ein Sturm los, wie Sie ihn noch nicht erlebt haben.“
Grund zur Skepsis gibt es. Denn Platzeck und die SPD beharren darauf, dass Brandenburg den Planfeststellungsbeschluss als Rechtsgrundlage nicht einseitig ändern kann. Dort ist derzeit ein Flugverbot von 0 bis 5 Uhr festgeschrieben. Und Platzeck spricht auch an diesem Nachmittag nicht von einer Auszeit zwischen 22 bis 6 Uhr, sondern von einem „Bündel intelligenter Maßnahmen“, die am Ende für „mehr Nachtruhe“ sorgen sollen. Bei einer Anhörung im Landtag hielt hingegen jüngst eine Juristin einen Brandenburger Alleingang für möglich.
Brandenburgs CDU will zwar nicht schon ab 22, aber immerhin von 23 bis 6 Uhr keine Flugzeuge fliegen lassen, anders als ihre Parteifreunde in Berlin. Für den Fraktionschef im Landtag, Dieter Dombrowski, ist Platzecks vorgebliche Sorge um einen Interessenausgleich nur Inszenierung: „Sie führen mit Ihrem Parteifreund Wowereit einen lautstarken Showkampf auf.“
Die Anfeindungen kontert am Mittwoch vor allem die Linken-Abgeordnete Kornelia Wehlan: Es sei unglaublich, wie sehr sich Wowereit im Ton vergreife. Brandenburg sei nicht Berlins Vorhof, in dem man lästige Flughäfen entsorgt. „Wer als Aufsichtsratsvorsitzender auf ganzer Linie gescheitert ist, sollte seinem Nachfolger Maßregeln ersparen.“
Platzeck schließlich gibt ganz den Landesvater, der im Sinne der gesamten Region ruhig handeln will, „und ich werde mich davon auch durch manche Äußerungen aus Berlin nicht abbringen lassen“. Eine neue ist am Mittwochmorgen dazugekommen: Da sprach sich der derzeit starke Mann am BER, Technik-Chef Horst Amann, eindeutig gegen ein längeres Nachtflugverbot aus. STEFAN ALBERTI