"Hotel Lux" mit Bully Herbig: Frivole Wiederauferstehung
Leander Haußmanns "Hotel Lux" ist der mäßig gelungene Versuch, den Terror der Nazis und Stalins in die Komödie zu bannen.
Heute sind nur noch Fassadenreste zu erkennen. Das berüchtigte Hotel Lux wurde abgerissen und entsteht putinesk-luxuriös neu. Einst, zu Zarenzeiten, hatte ein Bäckermeister den Hotelpalast an der legendären Moskauer Prachtstraße Twerskaja bauen lassen.
Nach der Revolution ging die in Hotel Lux umbenannte Immobilie in den Besitz der sowjetischen KP über. Um zwei Etagen aufgestockt, diente sie ausschließlich als Anlaufstelle für Funktionäre der Kommunistischen Internationale Komintern - ein Dorn im Auge des Alleinherrschers Stalin und daher systematisch unter der Fuchtel des Geheimdienstes NKWD.
Keine Geschichte des Lux ohne eklige Anekdoten über seine Rattenplage. Die im Erdgeschoss untergebrachte Bäckerei und ein Restaurant boten der fruchtbaren Sippe ideale Fressplätze. In den düsteren Fluren, schmutzigen Etagenküchen, Müllschächten und Lagerstellen rationierter Lebensmittel behaupteten sie ihre Domäne und drangen angriffslustig durch die Heizungs- und Sanitärschächte in die Zimmer vor.
600 Menschen waren zeitweise im Lux zusammengepfercht. Mit dem Terror der Nazis, der auf alle unterworfenen Länder ausgedehnt wurde, suchten immer mehr kommunistische Flüchtlinge - Männer, Frauen, ganze Familien - auf abenteuerlichen Wegen Zuflucht bei den sowjetischen Genossen. Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck, nach dem Zweiten Weltkrieg Chefkader der DDR, sowie Herbert Wehner, späteres Alphatier der SPD, Minister und einflussreicher Fraktionsvorsitzender im Bundestag, lebten jahrelang im Hotel Lux - alle unter Decknamen, abhängig vom allmächtigen "Propusk", dem Passierschein des NKWD, ohne den kein Leben etwas wert war.
Auch Ho Chi Minh, Chou En-Lai, Josip Tito, Ugo Togliatti und Tausende andere Kommunisten landeten in dem gigantischen Gefängnis namens Lux, wo sie dazu gezwungen wurden, einander zu bespitzeln und zu denunzieren.
Das Hotel Lux war eine Menschenfalle, so Heinrich Breloer in seiner Doku-Fiction über Herbert Wehners Verstrickungen. In den Jahren des schlimmsten stalinistischen Terrors verhaftete der NKWD in nächtlichen Aktionen zwischen 1936 und 1941 unzählige Kader, verhörte, folterte und ermordete sie - wie viel tausend Opfer zu beklagen sind, ist noch immer ungeklärt.
Digitalisierter Hybrid
Jetzt feiert das Hotel Lux als haunted house frivole Auferstehung. Der Theater- und Filmregisseur Leander Haußmann, seit "Sonnenallee" und "NVA" auf kabarettistische Sozialismuskritik abonniert, ließ die Horrorkulisse als digitalisierten Hybrid rekonstruieren und dachte sich eine am Fundus gut geölter Verwechslungs- und Täuschungsfarcen geschulte Story aus, die mit dem Entsetzen Scherz treibt.
Haußmann fühlt sich vom DDR-Regime um die Freiheit seiner ersten dreißig Lebensjahre betrogen und nimmt der Linken übel, dass sie Stalins mörderisches Interesse am berüchtigten Pakt mit Hitler unter den Teppich der Geschichte gekehrt hat. Weiter als seine Vorbilder aus dem amerikanischen Kino reicht seine Entlarvungsidee nicht. Lubitsch, Chaplin, Wilder und Mel Brooks feierten in ihren Filmen zivile Individualisten und wortgewandte Entertainer, die die Chuzpe aufbringen, das Schmierentheater à la Hitler und Stalin lächerlich zu machen.
Chaplins Aperçu: "Tränen, die man lacht, muss man nicht weinen", begleitet Haußmanns Kunstfigur Hans Zeisig (Michael "Bully" Herbig) durch eine verwickelte Story, in der der Tingeltangelkünstler und Stalin-Imitator als naiv unideologischer Zufallsgast im paranoiden Getto des Lux um sein Leben rennt und nebenbei um die schöne, kluge Kommunistin Frieda kämpft.
"Hotel Lux" lässt kein Klischeefeuerwerk, keine Gagmechanik aus, selbst der finale Flug nach Hollywood ist eine dreiste Happy-End-Umdeutung von "Casablanca". Mit viel Abstand zu den historischen Referenzen ist das komisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!