kritik der woche : Zum Gähnen: Aktuelle Kunst im Hamburger Kunstverein
Die Bilder und Objekte aktueller Ausstellungen stammen immer öfter nicht von denjenigen Künstlern, die den jeweiligen Stil mal entwickelten, – und man fragt sich: Ist‘s gemeint als eine Hommage? Als augenzwinkernde Retrokunst? Oder ist es vielleicht nur ein fader zweiter Aufguss? Die (neue) Leipziger Schule beispielsweise hat Unmengen von kraftloser figürlicher Malerei losgetreten und auch die Konzeptkunst turnt inzwischen in gelehrtem Leerlauf.
Ein Beispiel für die Langeweile des Akademismus in der Gegenwartskunst gibt derzeit der Kunstverein in Hamburg. Dort werden unter dem Label „neue produktion : new production“ drei Positionen aus Berlin, London und New York gezeigt, die auf unterschiedliche Weise zum Gähnen reizen.
Der US-Amerikaner Wade Guyton lässt Streifen und Punkte malen oder bringt den Buchstaben U groß auf eine Fläche, die zu brennen scheint. Die Bilder kommen aus dem Computer und werden mit Tintenstrahldrucker auf Leinwand übertragen. Diese dekorative Flachware hat außer dem Verweis auf ihre formalen Vorbilder wirklich nichts Neues zu sagen.
Sodann gibt es zwei Räume mit Filmen. In einem lässt Daria Martin Fünfkampfsportler um ein englisches Internat surreal agieren, im anderen wird Ballett mit Robotern getanzt. Surrealismus, britischer Film der sechziger Jahre, Matthew Barney einerseits, Science-Fiction und diverse Ballettschulen andererseits – man könnte endlose Bezugsketten anführen, die viel interessanter sind, als diese verquasten rund viertelstündigen Filmchen selbst.
Daria Martin und Wade Guyton agieren wie frustrierte Feuilletonisten längst gegessener Problemstellungen und kommen fahrlässig oder gar vorsätzlich zu einer beliebig dekorativen Kunstmarktkunst. Bei Klaus Weber, dem dritten der Schau, ist die Müdigkeit immerhin von höherer Potenz: Seine Erschöpfungsgeste ist eher die einer halluzinierenden Schlaflosigkeit.
Webers inszenierter Tropentraum ist ein über 13 Meter langes, begehbares Gewächshaus mit stark duftenden Engelstrompeten und Hunderten von Hummeln. In gleißendem Licht ist es samt miniaturisierten Laternen und Bänken ein Modell einer Straße in Kolumbien. Es wäre ein heller und insektendurchsummter Ort gegen Novemberdepressionen – und plötzlich wird klar, dass das unbarmherzige Licht, die drückende Wärme, die aggressive Rastlosigkeit der Insekten und der an Verwesung erinnernde Gestank tropischer Teil des unbarmherzigen Todes sind. Hajo Schiff
Bis 8. Januar 2006.