: Der höchste, nicht der beste
WOLKENKRATZER Am Montag wird in Dubai das höchste Gebäude der Welt eingeweiht. Die Erbauer wollen ein neues Kapitel der Baugeschichte einläuten. Fragt sich nur, welches
1 Burj Dubai, übersetzt: Turm von Dubai, ist mit 818 Metern das höchste menschliche Bauwerk der Welt. Am Montag wird es eröffnet. Es ist das erste Gebäude seit dem Bau des Empire State Building 1931, das in jeder Kategorie das höchste Bauwerk ist, also auch nicht von Fernsehtürmen oder Antennen überragt wird.
2 Taipei 101 ist 509 Meter hoch und wurde nach der Anzahl seiner Stockwerke benannt. Um das Gebäude gegen die häufigen Erdbeben und Wirbelstürme in Taiwan zu schützen, wurde eine riesige Stahlkugel eingebaut, die Schwankungen entgegenwirkt.
3 Shanghai World Financial Center ist 492 Meter hoch und wurde im August 2008 eröffnet. Es ist das höchste Gebäude in China. Eine Öffnung für die Aussichtsplattform an der Spitze des Gebäudes trug ihm den Spitznamen „Flaschenöffner“ ein.
4 International Commerce Centre in Hongkong ist derzeit noch im Bau, steht aber bereits auf seiner endgültigen Höhe von 490 Metern. Nach einem Unfall im September 2009, bei dem sechs Arbeiter ums Leben kamen, wurden die Bauarbeiten vorübergehend eingestellt.
5 Die Höhe der Petronas Towers in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur ist umstritten. Die Gesamthöhe liegt bei 452 Metern, das höchste Stockwerk aber nur auf 375 Metern. Deshalb könnte an fünfter Stelle auch der Willis Tower in Chicago stehen, dessen Dachhöhe 442 Meter beträgt.
VON LALON SANDER
Scheinbar endlos windet sich der Burj Dubai in den Himmel. Der Wolkenkratzer in dem Emirat am Persischen Golf bricht alle Rekorde, die große Gebäude jemals gehalten haben. Mit 818 Metern Höhe vom Boden bis zur Spitze ist er das höchste menschliche Bauwerk, er hat das höchste bewohnbare Stockwerk und die schnellsten bisher eingesetzten Fahrstühle. Den bislang höchsten Wolkenkratzer in Taipeh überragt er um stolze dreihundert Meter. Auf 160 Stockwerken soll es fast tausend Luxuswohnungen, 200 Hotelzimmer und 50.000 Quadratmeter Büroraum beherbergen.
Der Turm ist so hoch, dass es an seinem Fundament acht Grad wärmer ist als an der Spitze. Ein Mensch, der die gesamte Turmhöhe mit dem Fahrstuhl auf einmal abfahren würde, könnte wegen des Druckunterschieds ohnmächtig werden. Das Bauwerk ist so hoch, dass es bei guter Sicht aus hundert Kilometer Entfernung zu sehen ist. An ihm arbeiteten zuletzt 14.000 Menschen. Sie verbauten 230.000 Tonnen eines speziell entwickelten Betons, der die 500.000 Tonnen des Turmes auch im Fundament trägt. In Downtown Burj Dubai, dem Stadtteil um den Turm herum, sollen 30.000 Apartments und das größte Einkaufszentrum der Welt entstehen. Die 4,1 Milliarden Dollar Baukosten kommen von der Königsfamilie des Emirats.
Der Burj Dubai ist also nichts weniger als ein Zeichen des Stolzes für Dubai, das vor hundert Jahren noch ein Fischerdorf war. Wenn das Gebäude am Montag eingeweiht wird, soll es den Erbauern zufolge ein „neues Kapitel der Baugeschichte“ eröffnen. Fragt sich nur, welches.
Tatsächlich sind Hochhäuser vielleicht zukunftsweisend, auch wenn der Gedanke, eine ganze Stadt in einem Gebäude unterzubringen, vielen Menschen nicht ganz geheuer ist. Hochhäuser sind grundsätzlich platzsparender und energieeffizienter. Sie reduzieren den Verkehr und arbeiten einer Zersiedelung der Landschaft entgegen. Werden sie in nachhaltiger Bauweise errichtet, fällt die Ökobilanz noch besser aus.
Dafür gibt es knallharte wirtschaftliche Gründe. Gebäude, die grünen Standards entsprechen, brauchen im Schnitt 25 Prozent weniger Energie, die Mehrinvestitionen von etwa zwei Prozent der Baukosten für ein nachhaltiges Gebäude zahlen sich binnen weniger Jahre wieder aus. Längst gibt es grüne Labels, die Gebäude als besonders effizient auszeichnen. Den BREEAM-Standard in Großbritannien beispielsweise oder den US-amerikanischen LEED-Standard, den es inzwischen in abgewandelter Form auch in Dubai gibt. Zehn Gebäude sind dort für ihr besonders umweltfreundliches Design ausgezeichnet. Aber der Burj Dubai ist nicht darunter.
„Der Burj Dubai hat noch keine Einstufung, und bisher wurde auch kein Antrag gestellt“, sagt Jeffrey Willis, der Vorsitzende des Emirats Green Building Council. Die Organisation tritt für nachhaltige Bauweisen in den Vereinigten Emiraten ein, wo der Bauboom seit Jahren anhält. „Möglicherweise werden einzelne Teile der Innenausstattung bewertet, aber auch da ist mir noch kein Antrag bekannt“, sagt Willis.
Als wichtigste umweltfreundliche Technologie des Turms beschreibt Architekt Adrian Smith die Kondensierungsanlage des Burj Dubai. Wegen der großen Temperaturunterschiede zwischen der sonnenerhitzten Außenluft und den klimatisierten Räumen erwartet er, dass täglich etwa 150.000 Liter Kondenswasser abgeleitet und aufbereitet werden können. Allerdings werden die Nutzer des Gebäudes täglich die sechsfache Menge verbrauchen, Wasser, das in Dubai mit teuren Entsalzungsverfahren aus Meerwasser gewonnen werden muss.
Ein wirklicher Meilenstein der Hochhausgeschichte wird erst im Oktober 2010 eingeweiht: der Pearl River Tower in der südchinesischen Stadt Guangzhou. Neben dem Burj Dubai wird der 310 Meter Hohe Wolkenkratzer recht mickrig erscheinen und nicht ganz so viele Rekorde brechen – dafür aber vielleicht einen entscheidenden: Der Pearl River Tower soll das energieeffizienteste Hochhaus der Welt werden.
Der Bau war ursprünglich als Passivhaus gedacht, das seine benötigte Energie selbst produziert. Doch weil in Guangzhou private Stromproduzenten ihren Überschuss nicht an das Stromnetz abgeben und weil die Technologie zu teuer wurde, wird nun ein weniger ehrgeiziges Haus gebaut. Trotzdem soll der Pearl River Tower einen Teil seines Energiebedarfs durch Windturbinen und Fotovoltaikanlagen selbst erzeugen und einen Großteil als Wärme wieder nutzen. Im Vergleich zu den gültigen internationalen Standards soll der Turm sechzig Prozent weniger Energie brauchen. Den Bauherren des Burj Dubai scheinen andere Rekorde am Herzen zu liegen.