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Archiv-Artikel

Darkazanli wird ausgehungert

Der Hamburger, dessen Konten die UN einfror, bekommt kein ALG II mehr, damit al-Qaida nicht davon profitieren kann

FREIBURG taz ■ Mamoun Darkazanli weiß derzeit nicht, wovon er leben soll. Der Hamburger syrischer Herkunft steht wegen seiner Kontakte ins Al-Qaida-Milieu auf der UN-Liste der Terrorverdächtigen. Als Finanzsanktion wurde ihm Ende Oktober das ALG II gesperrt. Sein Anwalt Joachim Schaller hat längst eine Ausnahmegenehmigung beantragt: „Auch mein Mandant muss schließlich etwas essen.“ Doch niemand weiß, wann Darkazanli wieder Geld erhält.

Früher hatte er ein Import-Export-Geschäft. Dies musste er jedoch schließen, als die UN seine Konten einfror. Auf der UN-Liste stehen rund 320 Personen und 120 Organisationen. Die Liste wird vom UN-Ausschuss für Sanktionen erstellt und per EU-Verordnung in verbindliches Recht gegossen. An die aufgelisteten Personen dürfen keine Gelder fließen, um so die Quellen der Terroristen auszutrocknen.

Darkazanli wurde bekannt, weil er als Freund der Hamburger 9/11-Attentäter um Mohammed Atta gilt. Ihm droht die Auslieferung nach Spanien, wo ihm der Prozess gemacht werden soll. Die Auslieferung scheiterte jedoch, als das Bundesverfassungsgericht im Juli das deutsche Gesetz über den EU-Haftbefehl für nichtig erklärte. Darauf kam Darkazanli umgehend frei und lebte von ALG II, bis ihm dies auf Weisung der Bundesagentur gestrichen wurde.

Aber weil auch Terrorverdächtige Hunger haben, hieß es im Bescheid vom 28. Oktober, der der taz vorliegt: „Gemäß der Embargo-Verordnung können Sie bei der Deutschen Bundesbank eine Ausnahmegenehmigung beantragen.“ Die Bundesbank hat Anfang November auch grünes Licht für die Finanzierung von Grundbedürfnissen gegeben, wie Anwalt Schaller erfuhr. Allerdings muss der Antrag noch dem UN-Ausschuss für Sanktionen vorgelegt werden. Wenn dieser binnen 48 Stunden nicht protestiert, kann Darkazanli wieder ALG II erhalten. Bisher scheint der Antrag aber nicht bei der UN angekommen zu sein. Die Bundesregierung als Botin hat es offenbar nicht eilig.

Bis zu einer Entscheidung wird sich Darkazanli also mit Suppenküchen behelfen müssen. Seine deutsche Frau, die nicht auf der UN-Liste steht, hat im November auch keine Sozialleistungen erhalten. Mündliche Begründung: Es soll verhindert werden, dass sie Geld an ihren Ehemann abgibt. Hier erreichte Schaller jedoch beim Hamburger Sozialgericht eine einstweilige Anordnung. Grund: ALG II ist so niedrig, dass man nichts abgeben kann. CHRISTIAN RATH