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Archiv-Artikel

Neue Pracht

WIEDERERÖFFNUNG Kunstkammer Wien

Die Jagdgöttin Diana aus massivem Silber sitzt auf einem Kentauren und wackelt mit dem Kopf. Der Hund, der zu dessen Füßen daherspringt, öffnet, wie zum Bellen, den metallenen Kiefer. Dann rollt der Kentaur mit den Augen und schießt schließlich noch einen güldenen Pfeil ab. Währenddessen rollt der knapp 40 Zentimeter hohe Automat quer über den Tisch. Das um 1600 von Hans Jakob Bachmann in Augsburg gefertigte perlenbesetzte Spielzeug amüsierte vor 400 Jahren die Majestäten und wurde von Kaiser Rudolph II. für seine Kunst- und Wunderkammer angekauft. Heute zählt es zu den kostbaren Kuriositäten der Kunstkammer des Wiener Kunsthistorischen Museums, die am Freitag nach elfjähriger Restaurierungspause wiedereröffnet wurde.

Ohne mediengerechte Inszenierung kommen heute auch die altehrwürdigen Museen nicht aus. So wurde die Pressekonferenz von Generaldirektorin Sabine Haag und Bildungsministerin Claudia Schmied live im Fernsehen übertragen. Trommelwirbel untermalte einen Kurzfilm, der die Restaurierung der berühmtesten Exponate und die Aufstellungsarbeiten zeigt. Die Saliera, das berühmte goldene Salzfass des Renaissancekünstlers Benvenuto Cellini, hat wieder einen angemessenen Platz und darf in all seiner Pracht bestaunt werden. Der Hobbydieb, der vor zehn Jahren über ein Baugerüst ins Museum einstieg und das Prunkstück der kaiserlichen Sammlung entwendete, hätte heute kein so leichtes Spiel. Sicherheit und Beleuchtung wurden auf den letzten Stand gebracht, was allerdings nicht verhindert, dass die neuen Lüster sich oft störend in den Vitrinen spiegeln. Die Neuaufstellung der 2.200 Exponate in 20 thematisch gestalteten Sälen, von denen jeder ein besonders edles Stück als „Saalregenten“ vorzuweisen hat, wurde dem Stuttgarter Museumsgestalter Hans-Günther Merz übertragen.

Kunstkammern folgen einem historischen Prinzip des Sammelns und erlebten ihren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert. Kriterium für die meist fürstlichen Sammler war, dass die Gegenstände nicht nur kostbar, sondern auch alt, selten oder besonders kurios sein mussten. Die meisten hatten keinerlei praktischen Gebrauchswert. Auch Bergkristallpokale und Schüsseln aus gigantischen Halbedelsteinen wurden von Anfang an ausgestellt, nicht benützt. Gold, Edelsteine und Elfenbein dominieren. Die Wiener Sammlung, die auf Kunst- und Wunderkammern Kaiser Rudolphs II. und Erzherzog Ferdinands von Tirol zurückgeht, rekrutiert sich zu fast 80 Prozent aus historischen Sammlungen. Was sie so einmalig macht, so Kurator Franz Kirchweger, ist das dokumentierte Wissen über die Provenienz der Objekte. RALF LEONHARD