Avantgarde des Proletariats

Erst 2007 sollen PDS und Wahlalternative fusionieren, doch schon jetzt vernetzen sich die Mitglieder beider Parteien in NRW. WASG- und Linkspartei-Politiker gründen Aktionsbündnis „Revierlinke“

„Unsere WählerInnen erwarten, dass beide Parteien ab sofort gemeinsam arbeiten“

VON MARTIN TEIGELER

Bei der Neuwahl des Landesvorstands der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) ist Ralf Michalowsky nicht wieder angetreten. Der 55-jährige Gladbecker hatte keine Lust mehr, „stundenlang zu diskutieren, bis der Kopf raucht“ – und verzichtete beim Landesparteitag Anfang November in Düsseldorf auf eine erneute Kandidatur. Er sei eher „pragmatisch orientiert“ und wolle „konkret Politik“ machen, sagt Michalowsky. Deshalb gründete er in der vergangenen Woche die „Revierlinke“. 40 Mitstreiter aus WASG und Linkspartei.PDS trafen sich in Essen-Borbeck, um gemeinsam politisch aktiv zu werden. „Das Ruhrgebiet ist bekannt für seine Widerständigkeit“, sagt Michalowsky. Man knüpfe an die Proteste in Duisburg-Rheinhausen 1987/88 an – „und diesmal werden wir Erfolg haben“.

Während in den WASG-Führungsgremien sowie zwischen den WASG- und PDS-Landesverbänden wie Berlin oder Sachsen-Anhalt der politische Kleinkrieg kultiviert wird, will das „linke Revier“ an lange Traditionen der Arbeiterbildung anknüpfen. Eine neue Avantgarde des Proletariats? Offiziell soll die WASG/PDS-Fusion erst 2007 kommen, doch die Basisgruppen vernetzen sich bereits jetzt. So nimmt das neue Bündnis heute an der Demo gegen Studiengebühren in Düsseldorf teil. „Die Einführung von Studiengebühren ist ein Rückschritt, den wir nicht zulassen dürfen“, sagt Wim Ehlers, früherer Essener WASG-Chef und „Revierlinker“.

Weitere Aktionen zugunsten der Gaspreisboykott-Initiativen, gegen die Feinstaubbelastung im Revier und für einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr sind geplant, berichtet Ehlers. Der Mitbegründer der Wahlalternative ist zugleich WASG- und PDS-Mitglied. Er hofft auf eine „schnelle Fusion“ beider Parteien, noch vor dem vereinbarten Zieltermin Sommer 2007: „Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten, dass beide Parteien ab sofort gemeinsam arbeiten.“

Auch andernorts verschwinden die Logos WASG und PDS – und die Linken agieren in Stadträten und Gemeindevertretungen unter einem gemeinsamen Namen. Mitte November beschloss etwa eine Vollversammlung der PDS-Offenen Liste Duisburg mit großer Mehrheit eine Namensänderung. Die bisherige PDS, die mit vier Ratsmitgliedern als viertgrößte Ratsfraktion im Duisburger Rat vertreten ist, heißt ab jetzt Die Linke. Offene Liste Duisburg. „Schon jetzt arbeiten eine Reihe von Parteilosen und Mitglieder der WASG bei der Linken mit, wobei der Fusionsprozess hin zu einer vereinigten linken Partei auch auf kommunaler Ebene zielstrebig angegangen wird“, sagt Horst Werner Rook von der Linken Duisburg.

Im Kölner Stadtrat formierte sich vor einigen Tagen ebenfalls eine neue Fraktion: die Linke.Köln (taz berichtete). In ihr haben sich die drei Abgeordneten der bisherigen Ratsgruppe PDS – Offene Liste und das Bündnis „Gemeinsam gegen Sozialraub“, das mit einem Abgeordneten im Rat vertreten ist, zusammengeschlossen. Unterstützt wird die Fraktion auch von der WASG.

Um die Verankerung der neuen Linken insbesondere im Ruhrgebiet zu stärken, soll nach taz-Informationen ein Linke-Wahlkreisbüro ins Zentrum des Reviers nach Essen oder Bochum vergeben werden. Bislang gibt es lediglich ein Wahlkreisbüro des WASG-Abgeordneten Hüseyin Aydin in Duisburg. Zudem hat Linkspartei-Landeschef und Parlamentarier Paul Schäfer eine „Koordinationsstelle NRW“ ausgeschrieben. Nachdem sich die Linken monatelang fast nur mit Bundespolitik beschäftigt haben, rückt nun die Landespolitik ins Interesse. Der neue Koordinator müsse „solide Kenntnisse der nordrhein-westfälischen Landespolitik“ mitbringen, heißt es in der Ausschreibung. Arbeitsort für den Job ist Düsseldorf.

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