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Archiv-Artikel

Ringen um die Ringe

Das Nationale Olympische Komitee unterliegt dem Tabakmulti British American Tobacco im Streitum die Nutzung der olympischen Ringe. Das NOK will nun bis zum Bundesverfassungsgericht gehen

AUS BERLIN CHRISTIAN ZINGEL

Lucky Strike hat schon vieles probiert. Auf einem Plakat springen die Zigaretten wellenförmig, dynamisch aus ihren Packungen und stellen La Ola in einem Stadion nach. „Die raucht man in der West-Kurve“, verkündet eine andere Anzeige und spielt damit auf einen Konkurrenten in der Tabakbranche an. Ein Lucky Strike, wörtlich übersetzt ein Glückstreffer, ist diese Kampagne des zweitgrößten Zigarettenherstellers der Welt, British American Tobacco (BAT), nicht eben. Sie kämpft mit den von Werbemenschen als Ambush- oder Guerilla-Marketing bezeichneten Mitteln. Diese trickreiche Form basiert auf der Verknüpfung der Werbung mit aktuellen Ereignissen wie einer Fußball-WM oder Olympische Spielen. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) versucht diese BAT-Hinterhaltwerbung im Auftrag des allmächtigen Mutterkonzerns IOC zu bekämpfen. Markenpiraterie, lautet der Vorwurf.

Michael Schirp, Sprecher des NOK, ist erschüttert über die Entscheidung von Christian Keller, dem Vorsitzenden Richter des Landgerichts Darmstadt, der nichts Verwerfliches an der Lucky-Strike-Werbung finden wollte. Die Unterlassungsklage seines Verbandes gegen BAT wurde in erster Instanz abgelehnt. Der Tabakkonzern hatte zu den Sommerspielen 2004 in einer Dreier-Plakatserie Zigarettenschachteln so angeordnet präsentiert, dass sie an die olympischen Ringe erinnerten. Unterlegt waren die Abbildungen mit Sprüchen wie: „Die Ringe sind schon in Athen.“ Schirp unterstellt dem Richter, dass seine negative Haltung zum IOC sein Urteil beeinflusst habe. „Ob ich gefälschte Levi’s-Jeans aus der Türkei betrachte oder eben die olympischen Symbole. Es geht immer um die Verletzung von Markenrechten.“ Obwohl die Ringe selbst auf den Plakaten gar nicht verwendet worden sind, wittert das NOK Ambush-Marketing.

Wie praktisch, dass Mitte letzten Jahres ein entsprechendes Gesetz vom Bundestag auf den Weg gebracht worden ist. Das Olympiaschutz-Gesetz verbietet es Firmen, mit den olympischen Symbolen zu werben. Rainer Stubenvoll, Pressesprecher von BAT Deutschland, sieht sein Unternehmen nicht als Guerillero: „Der Richter hat unsere witzige Kampagne, die mit einem gewissen Augenzwinkern geführt wurde, verstanden.“ Schirp findet es hingegen ungerecht, dass Firmen als Trittbrettfahrer an den olympischen Symbolen partizipieren wollen. „Anstatt noch mal Geld in die Hand zu nehmen und ein Marken-Image zu kreieren, lassen manche die anderen die Arbeit machen und hängen sich einfach dran.“

Das Landgericht Darmstadt stellte hingegen fest, dass die Ringe selbst auf den Plakaten gar nicht verwendet worden sind. Die Juristen äußerten zudem erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Olympiaschutzgesetzes, das ausschließlich aus kommerziellen Interessen und „wohl auf Druck des IOC“ zustande gekommen sei. Der NOK-Anwalt Ralf Schäfer kündigte jedenfalls Berufung an. „Das Verfahren wird bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.“ Trotz ihrer aktuellen juristischen Niederlage haben die NOKler seit dem Inkrafttreten des Gesetzes alle Hände voll zu tun, der großen und kleinen Gauner habhaft zu werden. Schirp gibt die Zahl der Verstöße pro Monat als zweistellig an. „In der Regel handelt es sich dabei um Selbstständige oder Kleingewerbler, die ohne Vorsatz gegen das Gesetz verstoßen.“ Das NOK möchte nicht den Eindruck erwecken, sich mit Lizenzgebühren die Taschen zu füllen. Alle Einnahmen kämen den Bildungs- und Entwicklungshilfeprojekten des NOK zugute. „Wir schwimmen nicht im Geld, hier malt sich niemand einen Thron golden an“, erklärt Schirp. „Es ist ärgerlich, wenn ein Konzern auf Kosten derer, die ihre gesellschaftliche Verpflichtung ernst nehmen, profitieren will. Wir werden weiter gegen unsportliche Trittbrettfahrer vorgehen.“

Schirps Sprecherkollege Stubenvoll empfindet die Lucky-Strike-Werbung indes weder als unmoralisch, noch sieht er einen Schaden für Werbepartner des NOK. Er schließt nicht aus, „dass wir für die Winterspiele in Turin eine ähnliche Anzeige schalten“. Die Friedenspfeife wird also nicht so bald geraucht werden.