Und ewig lockt das Pathos

POP-CHANSON Die Hamburger Sängerin Katriana bewegt sich mit ihrem dritten Album „Aber klar doch“ zwischen Kunst und Kitsch

Nach Katriana kann man gar nicht oft genug die Feminismusfahne hochhalten

Es ist schwieriges Terrain, auf dem sich Katriana da musikalisch bewegt. Deutschsprachige Chansons mit Popneigung zu machen, die von den großen Themen des Lebens – Liebe, Abschied, Politik – genauso handeln sollen wie von alltäglichen Vorkommnissen, die zum Nachdenken anregen, das muss man sich als Vorhaben erst einmal trauen. Katriana wagt es nun mit ihrem neuen Album „Aber klar doch“ schon zum dritten Mal.

Nicht selten bewegen sich die Texte der zehn Lieder haarscharf an der Grenze zum Kitsch. So singt Katriana im Refrain von „Heute keine Hoffnung“: „Dann hab’ ich keine Hoffnung mehr /Für mein Herz und / Meine Liebe“. Autsch! Geht’s noch sülziger? Doch gerade, als man etwas peinlich berührt weiterskippen möchte, rettet den Song wie aus dem Nichts eine Zeile, deren umwerfende Direktheit einem ein spontanes Lächeln abringt: „Ist ja nicht so / Als hätt’ ich’s nicht versucht / Für mein Verhältnis /Bin ich echt verrucht!“

Viele der Songs auf „Aber klar doch“ prägt dieser Wechsel von pathetischen und humorvollen Parts. Ob das nun ein teils scheiterndes, teils glückendes Widerstehen gegenüber der süßen Pathosversuchung oder ein bewusstes Spiel mit gefühlig-sentimentalen auf der einen und lässig-selbstironischen Ausdrucksweisen auf der anderen Seite ist, bleibt auch nach wiederholtem Hören im Unklaren.

In jedem Fall entsteht dadurch eine eigenartige Anziehungskraft, bei der die Zuhörer zu Beteiligten werden und sich Gefühle der Beklemmung und der heiteren Erleichterung permanent abwechseln.

Der beste Song des Albums ist dann aber einer, der den Bogen in dieser Hinsicht eben nicht überspannt. „Erwachsen“, eine tiefgründige Ballade mit interessanten Tempowechseln und einem gelungenen Miteinander von Streichern und Klavier. „Ich bin so erwachsen / Und ich bin so reif / Aber werde ich verlassen / Bin ich wieder drei“, singt Katriana. Das ist auf eine naive Art wahr, dass man nicht umhin kann, es abzunicken. Dabei hatte Katriana eigentlich genug von melancholischen Liedern über Abschied und gescheiterte Liebesbeziehungen, von denen es auf ihrem letzten Album nur so wimmelte.

„Das Thema ist eigentlich so was von durch für mich. Aber der Song musste einfach aufs Album“, sagt sie. Auch in musikalischer Hinsicht gibt es auf „Aber klar doch“ gegenüber Katrianas vorherigen Alben einige Veränderungen. Zu popminimalistischem Klavier, Ukulele und Cello gesellen sich Bass, ein unaufdringliches Schlagzeug und ab und zu Posaunen. Diese zusätzlichen Zutaten geben Katrianas chansoneskem Gesang mit norddeutschem Einschlag einen wohldosierten Vorwärtsdrang, den er gut vertragen kann.

Seit ihrer Schulzeit macht die gebürtige Hamburgerin Katriana Musik. Gefördert wurde sie am Anfang vor allem – ganz brav – von ihrem Musiklehrer, der ihre Schulband aus der Aula befreite und ihr zu Auftritten in Hamburger Clubs wie Knust oder Logo verhalf. Nach einer Ausbildung zur Popsängerin kam 2006 ihr Debütalbum heraus, 2009 folgte das zweite, beide beim Hamburger Label Pussy Empire, das ausschließlich Frauen unter Vertrag hat.

Mit dem Pussy-Empire-Projekt „The Stewardesses“ war Katriana letztes Jahr auch auf ausgedehnter Tour. Oft schon mussten sich die Labelkolleginnen den Vorwurf anhören, etwas gegen Männer zu haben. „So ein Quatsch, und es gibt so viele Indielabels, die nur Männer rausbringen, das interessiert keine Sau“, empört sich Katriana, für die Musik und Politik seit jeher Hand in Hand gehen.

So traf sie die Cellistin, mit der sie an ihrer ersten EP arbeitete, vor zehn Jahren bei der Organisation des Hamburger Ladyfests. Man könne ja gar nicht oft genug „die Feminismusfahne hochhalten“, findet Katriana. Politisch wird es dann auch manchmal auf „Aber klar doch“. Etwa in der „Ballade für Menschen“, in der es um Flüchtlinge geht. Ein kompliziertes Thema, doch der Refrain, in dem Katriana „Ich möchte nach Hause“ wiederholt, transportiert auf simple Weise das einsame Gefühl von Heimweh.

Damit entkommt Katriana einem allzu gewollt wirkenden Poetisieren von platten Politparolen und so, ein weiteres Mal, haarscharf der ewig lauernden Kitschfalle. CARLA BAUM

■ Katriana: „Aber klar doch“ (Pussy Empire/Broken Silence). Live 6. März Würzburg, 7. März Lindau, 16. März München, 20. März Kiel, 27. März Hamburg