: Das Wort Dogans gegen das Wort Allahs
TÜRKEI Um zu einer Einigung mit der Regierung zu kommen, übergibt Aydin Dogan seinen Konzern an die Tochter. Wenn Ankara nun Ruhe gibt, will Springer mit knapp 30 Prozent bei Dogans Medienunternehmen einsteigen
AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH
Es erscheint wie ein letzter Versuch, zu retten, was zu retten ist. Der von der türkischen Finanzverwaltung mit exorbitanten Steuerstrafen bedrohte Zeitungs- und TV-Konzern Dogan hat zum Jahreswechsel sein Führungspersonal ausgetauscht. Aydin Dogan, der bislang mächtigste Medienmogul des Landes, ist als Vorstandschef zurückgetreten. Gleichzeitig räumte der einflussreichste Chefredakteur der Türkei, Ertugrul Özkök, nach 20 Jahren seinen Posten bei der Tageszeitung Hürriyet. Özkök hat in den letzten 20 Jahren nicht nur die Position von Hürriyet als türkisches Leitmedium erfolgreich verteidigt, er hat auch mit seinem Boss Aydin Dogan einträglich zusammengearbeitet und so manchen Deal hinter den Kulissen für ihn erledigt.
Schließlich besitzt Aydin Dogan nicht nur die wichtigsten Medien der Türkei, er ist auch im Öl- und Immobiliengeschäft vielfältig involviert. Doch seit im letzten Jahr die vom Finanzministerium dirigierte Steuerbehörde von der Dogan-Holding aus offenbar politisch motivierten Gründen insgesamt mehr als 2 Milliarden Euro angeblicher Steuerschulden fordert, ist das gesamte Imperium bedroht.
Der Hintergrund ist eine stetig eskalierte Auseinandersetzung zwischen Dogan und der Regierung. Es geht einerseits um die Auseinandersetzung zwischen der islamisch grundierten Regierung und dem säkularen Medienkonzern: Dogans Medien sind stets zur Stelle, wenn es darum geht, tatsächliche oder vermeintliche Islamisierungstendenzen anzuprangern. Die Regierungsseite wirft ihnen dagegen vor, mit möglichen Putschisten zu sympathisieren. Als Hürriyet Korruptionsfälle im Regierungsapparat aufdeckte, fühlte sich Ministerpräsident Tayyip Erdogan von den Dogan-Medien persönlich verfolgt und rief zum Boykott auf. Das Verhältnis zwischen Aydin Dogan und der Regierung ist offenbar irreparabel, eine Einigung nicht in Sicht. Müsste die Dogan-Holding die Milliarden tatsächlich zahlen, wäre sie praktisch bankrott. Dogan versucht deshalb, Teile seiner Holding zu verkaufen. Dabei kommen alte Bekannte ins Spiel: Springer, bislang schon mit 25 Prozent an Dogans TV-Geschäft beteiligt, will bei Beilegung des Steuerstreits 29 Prozent an Dogans Mediensparte Dogan Yayin Holding A.S (DYH) übernehmen. Der österreichische Energiekonzern OMV interessiert sich derweil für Dogans Tankstellenkette.
Aydin Dogan hat deshalb nun das operative Geschäft an seine Tochter Arzuhan Yalcindag-Dogan abgetreten, bei Hürriyet rückt der bisherige Chef der Parlamentsredaktion, Enis Berberoglu, als Chefredakteur nach. Aydin Dogan kündigte auch schon an, dass die Familie sich demnächst völlig aus der Führung des Unternehmens zurückziehen werde. Damit soll offenbar ein letzter Versuch gemacht werden, doch noch zu einer Einigung mit der Regierung zu kommen.
Die Chancen stehen aber wohl nicht allzu gut, denn neben dem ideologischen Konflikt, geht es auch darum, die Pfründen im Land neu zu verteilen. Die Erdogan-Regierung versucht, ihrer Klientel gegen das alteingesessene Establishment neue Einkommensquellen zu erschließen. Dabei spielt die Medienbranche eine wichtige Rolle. Schon vor zwei Jahren wurde der Sabah-Medienkonzern, der im Anschluss an die Bankenkrise 2001 in eine ökonomische Schieflage geraten war, zuerst unter öffentliche Aufsicht gestellt und anschließend an einen regierungsnahen Konzern verkauft, bei dem der Schwiegersohn Erdogans im Vorstand sitzt. Damals hatte Springer ebenfalls Interesse gezeigt, bekam jedoch signalisiert, dass ein ausländischer Konzern im Bieterverfahren keine Chance haben würde.
Die meisten Regierungskritiker befürchten deshalb nun, dass die DYH den gleichen Weg wie Sabah gehen könnte: Zuerst würde die Medienholding in die Insolvenz getrieben, um dann an Regierungsanhänger weitergereicht zu werden. Damit wären dann alle wichtigen Zeitungen und Fernsehsender mehr oder weniger auf Regierungslinie.