Der Unbeleckte

„Ich bin für meine Inhalte nominiert worden“, glaubt Bundestags-Neuling Lutz Heilmann. Und will sich bei den Linkspartei-Genossen dafür entschuldigen, dass er seine Stasi-Zeit nicht erwähnt hat. Ob das reicht, zeigt sich am kommenden Sonntag

Interview: Benno Schirrmeister

Ein Misstrauensantrag gegen den Abgeordneten, ein Abwahlantrag gegen die Landesvorsitzende Edda Lechner: Am Sonntag treffen sich die Mitglieder der Linkspartei Schleswig-Holsteins zur Aussprache. Im Mittelpunkt der Streitigkeiten steht der Name Lutz Heilmann. Vor dem 10. Oktober war der selbst in Schleswig-Holstein nur wenigen ein Begriff. Über die Landesliste der Linkspartei hatte er sein Bundestagsmandat errungen. Am 10. Oktober aber fand sich im Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein 40-Zeiler über ihn – mit markanter Head-Line: „Stasi im Bundestag“. Kernaussage: Heilmann war „in den Gehaltslisten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) als hauptamtlicher Mitarbeiter registriert“. Für Ärger sorgte, dass er darüber zwar Lechner, nicht aber die Parteibasis informiert hatte. Zudem belastet der Fall die Beziehung zur WASG. Wie zieht er sich aus der Affäre? Und wofür steht Lutz Heilmann politisch? Die taz gibt ihm Gelegenheit, Profil zu zeigen.

taz: Durch die Enthüllungen zu ihrer Vergangenheit sind Sie derzeit neben Gysi und Lafontaine der prominenteste Abgeordneten der Linksfraktion. Genießen Sie das?

Lutz Heilmann: Nein, ich genieße das nicht. Ich sehe mich auch nicht als Prominenten. Ich bin ein Teil dieser wunderbaren Fraktion aus 54 wunderbaren Kolleginnen und Kollegen. Aber prominent bin ich nicht.

Sagen wir also: Sie stehen momentan unter besonderer Beobachtung der Medien. Wie kommen Sie runter von diesem Aufmerksamkeits-Level?

Na, durch die tägliche Arbeit. Dadurch dass ich die inhaltlichen Fragen, die ich bearbeiten möchte, anspreche. Beispielsweise bei solchen Interviews. Da bin ich dann ganz froh über die Aufmerksamkeit, weil ich dann sagen kann, wofür ich im Bundestag stehe.

Wofür stehen Sie im Bundestag?

Na, für linke Politik, denke ich. Dafür haben mich auch meine Genossinnen und Genossen am 30. Juni in Neumünster als Spitzenkandidaten nominiert. Und dafür haben mir 80.000 Wähler die Stimme gegeben. Für soziale Gerechtigkeit, für steuerliche Gerechtigkeit, gegen Hartz IV, zum Beispiel dagegen, dass Betroffene jetzt zu Terroristen erklärt werden, indem man sie in die Rasterfahndung einbezieht. Dafür stehe ich als Teil der Bundestagsfraktion der Linken.

Aber Sie persönlich? Als Interessensschwerpunkte hatten Sie Rechts- und Bildungspolitik angegeben…

Ich bin jetzt in der Arbeitsgruppe Umwelt Energie und Nachhaltigkeit. Also von dem, was ich da angegeben habe, ist eigentlich gar nichts dabei. Aber weil ich Jura studiert habe, hat mich eine Kollegin angesprochen, ob ich mich auch für Umwelt einsetzen würde. Und da Umweltpolitik sehr viel mit Rechtsfragen zu tun hat, habe ich dann leichten Herzens Ja gesagt.

Dass Sie 2002 von der PDS Nordwestmecklenburg in den Kreisverband Lübeck gewechselt sind, hatte ja auch einen umweltpolitischen Anlass. Wie ist Ihre Haltung zu Kormoranen heute?

Das war bloß ein Punkt. Ich habe den Landesverband gewechselt, weil ich in Lübeck gearbeitet habe. Die Sache mit den Kormoranen war nur der Auslöser…

Sie waren gegen den Abschuss.

Nicht grundsätzlich. Nur gegen die Art und Weise. Die hat mich gestört. Ich hatte in den Nachrichten gesehen, dass die Vögel einfach abgeschossen wurden und die Kadaver dann in den Seen trieben. Das fand ich nicht vertretbar. Der wichtigere Grund war, dass ich schon 2001 in der PDS Schleswig-Holstein mitgearbeitet habe – wo der Arbeitsplatz ist, hat man halt seine sozialen Kontakte. Und ich habe mir gesagt: Ein Stück weit Solidarität mit den Genossinnen und Genossen in Schleswig-Holstein ist auch angebracht. Da wird ja jeder Mann und jede Frau gebraucht.

Wobei – um den Listenplatz 1 zur Bundestagswahl gab es auch eine heftige Konkurrenz. Elf Bewerber – das hört sich nicht an, als wären die Leute so knapp gewesen?

Ich bin aber mit eindeutigen Inhalten angetreten und habe vorgestellt, was ich im Bundestag bewegen will. Ich bin für meine Inhalte nominiert worden.

Welche waren das damals?

Das war zum Beispiel soziale Gerechtigkeit, Hartz IV. Die Verschärfung, die Frau Merkel als Optimierung bezeichnet, das ist ja menschenunwürdig. Widerstand gegen Studiengebühren – das war ein Punkt. Und die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Und Umweltschutz.

Also doch schon Umweltschutz?

Ja, das war auch schon ein Stück weit mit drin. Natürlich habe ich mich immer auch für Umweltschutz engagiert, gegen den übermäßigen Ausbau von Autobahnen und so weiter. Ich bin ja mehr der Bahn-Fan.

Bei der Linkspartei-Mitgliederversammlung wird es am Sonntag wegen Ihrer Tätigkeit für die Staatssicherheit einen Misstrauensantrag geben. Ein heißer Tanz für Sie?

Da lasse ich mich überraschen. Es ist natürlich richtig: Das war ein Fehler, dass wir das im Vorfeld nicht deutlich gesagt haben. Ich hatte das den Lübeckern mitgeteilt, als sie angefragt hatten, ob ich kandidiere. Und ich habe mit unserer Landesvorsitzenden darüber gesprochen. Aber dass da Parteitagsbeschlüsse existieren, die fordern, so etwas offen zu legen – davon hatten wir alle keine Kenntnis. Bei der Mitgliederversammlung werde ich den Genossinnen und Genossen klipp und klar sagen, dass das ein Fehler war und dafür um Entschuldigung bitten. Und dann muss ich einfach schauen, was dabei herauskommt.

Sie haben angekündigt: Einen Grund für einen Rücktritt gibt es nicht. Kann da die Mitgliederversammlung etwas dran ändern? Wie wichtig ist diese Abstimmung für Sie?

Die ist schon sehr wichtig für mich. Es würde mir sehr schwer fallen, ohne das Vertrauen meines Heimatverbandes zu agieren. Es ist aber auch so, dass ein Rücktritt für mich ein Schuldeingeständnis wäre. Wenn ich am Sonntag meinen Rücktritt erklären würde, würde spätestens am Montag in der Bildzeitung stehen: Na, da war ja wohl doch noch was.

Das kann aber doch wohl kein Grund sein – dass es am nächsten Tag negative Schlagzeilen gäbe? Oder würden Sie sagen: ,Okay, ich habe zwar nur die Hälfte der Mitglieder hinter mir. Aber die BILD wirft dann mit Dreck, also bleibe ich‘?

Für mich wäre ein Rücktritt einfach ein Schuldeingeständnis. Und ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe im Übrigen bei der Birthler-Behörde die Übersendung meiner Akte beantragt. Sobald die da ist, werde ich in den Kreisverbänden Termine vereinbaren, bei denen jeder einen Blick in mein Dossier werfen kann.

Wie reagiert denn die Bundestagsfraktion? Ihre 53 wunderbaren Kolleginnen und Kollegen schienen nicht erfreut…

Nein, die waren natürlich nicht erfreut. Sie waren nicht informiert, als Der Spiegel die Geschichte gebracht hat. Wir haben in der Fraktion darüber gesprochen, und ich habe das auch selbstkritisch eingestanden. Danach hat mir die Fraktion einstimmig das Vertrauen ausgesprochen.

Aber Schriftführer sind Sie jetzt nicht geworden. Das wollten Sie doch?

Bei uns im Arbeitskreis wurde gefragt: Wer würde das machen? Und dann habe ich gesagt: Natürlich würde ich das machen. Warum sollte ich das nicht tun. Ich denke mal, es gab wahrscheinlich mehr Bewerber, als es Plätze gab. Und dann hat man mich eben nicht genommen. Ich bin ja auch Parlamentsneuling.

Das sind die meisten in Ihrer Fraktion.

Das sind sehr viele, in der Tat. Aber einige waren doch auch vorher schon in Länderparlamenten und kennen von daher schon die Abläufe, während ich diesbezüglich noch völlig unbeleckt bin.

Auf Landesebene belastet die Affäre auch die Zusammenarbeit mit der WASG, auf die Sie perspektivisch angewiesen sind: Alleine hat die PDS bei Wahlen in Schleswig-Holstein bislang keine große Sprünge gemacht. Was unternehmen Sie in diese Richtung?

Das ist ein Punkt, den wir auch unterschätzt hatten, wie unser Partner mit der Problematik Staatssicherheit umgeht – obwohl meine Tätigkeit ja auch nach dem Bewertungsausschuss der frei gewählten Volkskammer nichts Anrüchiges hat. Bodyguard – das ist eines der ältesten Gewerbe, die es gibt.

Die Tätigkeit selbst hat die WASG doch auch gar nicht beanstandet. Deren Landesvorstand hebt doch vor allem auf die mangelnde Kommunikation ab. Man fühlt sich hintergangen. Wie wollen Sie diese Scharte auswetzen?

Indem ich, ganz konkret, wie gesagt, dieses Sache eingestehe und um Entschuldigung bitte…

Gehen Sie dafür auch zur WASG hin? Die hat ja bald Landesparteitag…

Ja. Das sage ich jetzt mal so ganz einfach: Ich werde Kontakt aufnehmen und anfragen, ob ich da vorbeikommen soll. Wir haben ja auch gemeinsam Wahlkampf gemacht. Und wenn die WASG Schleswig-Holstein das wünscht, weil ich sozusagen auch deren Bundestagsabgeordneter bin, werde ich da hingehen. Ich hoffe, dass wir oder besser gesagt: dass ich mit der WASG Schleswig-Holstein wieder enger in Kontakt komme. Dass wir diese Unstimmigkeiten ausräumen. Und dass wir wieder zur Sacharbeit zurückkehren.

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