Die Wahrheit: Rostschopftag
Neues aus Neuseeland: Ihr hattet alle schöne Pfingsten? Pah! Wir hatten den Tag der Roten. Alle Jahre wieder ruft der Radiosender The Edge am 25. Mai die Parole „Hug a Ginga“ aus.
I hr hattet alle schöne Pfingsten? Pah! Wir hatten den Tag der Roten. Alle Jahre wieder ruft der Radiosender The Edge am 25. Mai die Parole „Hug a Ginga“ aus – umarme einen Rotschopf!
Denn wer obenrum feurig aussieht, hat’s schwer. Narkoseärzte müssen einem stärkere Schmerzmittel geben, im Bett ist man angeblich unersättlich und früher wurde man als Hexe verbrannt, vom Sonnenbrand ganz zu schweigen.
In England wurde vor fünf Jahren eine rothaarige Familie aus ihrem Haus geekelt, und die größte Samenbank der Welt nimmt keine Gaben von rothaarigen Spendern mehr an, weil die Nachfrage danach zu gering sei.
Angesichts dieser Schieflage dürfen sich Rote als Randgruppe verstehen, die ihren Behindertentag braucht. Und wir anderen müssen die Karottenköpfe einmal im Jahr zwangsumarmen, ob sie das wollen oder nicht. Das macht die Integration in der Schule und am Arbeitsplatz sicher um vieles leichter. Der Begriff „Ginga“, den ich erst dank des Plärrsenders gelernt habe, ist ja auch ungefähr so schmeichelhaft wie „Fettsack“. Vielleicht sollte man den genetisch Benachteiligten direkt ein rotes Blinklicht auf den Kopf setzen?
Und noch ein genialer Vorschlag von The Edge wird die Diskriminierung sofort stoppen: In diesem Jahr sollte man am „Ginga-Day“ einen freien Arbeitstag fordern – natürlich nur als „Ginga“. Das Formular dazu konnte man sich runterladen.
Anfang nächster Woche steht uns dann „Queen’s Birthday“ ins Haus. Man hat frei, mehr auch nicht. Kein Kiwi, der im 20. Jahrhundert geboren wurde, würde ernsthaft den Geburtstag der britischen Monarchin begehen, der übrigens im April war. Aber der erste Montag im Juni wurde einst von der Monarchie als Feiertag für den Beginn des englischen Sommers ausgerufen.
Bei uns ist es jedoch Winter. Das ist alles so absurd wie die Tatsache, dass die Queen unser Oberhaupt ist, aber am anderen Ende der Welt lebt und nur alle Jubeljahre ihre Untertanen im Südpazifik besucht. Für die olle Elizabeth böllert die Regierung in Wellington am Montag brav 21-mal in die Luft. Das war’s. Lang lebe die Kolonie, äh, die Queen.
Seit Langem kämpft die republikanische Bewegung Aotearoas nicht nur um eine eigene Flagge und die Unabhängigkeit von Mutter England, sondern auch darum, dass der peinliche Feiertag abgeschafft oder in „Matariki“ umbenannt wird. Matariki ist die Neujahrszeit der Maori und feiert das Auftreten der Plejaden am Firmament.
Es geht um Wachstum und Pflanzzyklen, Einkehr und Besinnung. In der Schule wird dazu gebastelt und gesungen. Viele Gemeinden machen ein Konzert oder garen was Herzhaftes im Hangi, dem Erdofen. Ein schönes Fest, politisch korrekt sowieso, und in seiner Bedeutung fürs Volk relevanter als die pastellfarbene Matrone im Buckingham Palast.
Dank einer neuen Feiertagsregelung kann man mit seinem Arbeitgeber abmachen, statt dem Königinnengeburtstag lieber einen Matariki-Tag zu nehmen. Ja, das ist bikultureller Fortschritt. Die Blonden und Brünetten sollten das Gleiche mit dem Tag der Roten versuchen.
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