piwik no script img

Archiv-Artikel

Leipziger Allerlei

Alte Gesichter, neue Kontrolle: Bei ihrer Hauptversammlung beschwört die ARD-Chefrunde den Aufbruch und ist vollends zufrieden mit sich selbst

AUS LEIPZIG MICHAEL BARTSCH

Jetzt ist Schluss mit dem ewigen Schleichwerbegejammer, und die ARD macht wieder Dampf – könnte man jedenfalls meinen, wenn man sich ansieht, was bei der Hauptversammlung der Intendanten und Gremienvorsitzenden in Leipzig diese Woche alles herausgekommen ist.

Unter dem eingeführten Namen „ttt – titel, thesen, temperamente“ werden künftig alle Kulturmagazine im Ersten vereinheitlicht. Der feste Sendeplatz am Sonntagabend nach „Sabine Christiansen“ und den „Tagesthemen“ bleibt erhalten. Caren Miosga, bekannt vom NDR-„Kulturjournal“ und dem Medienmagazin „Zapp“, wird die Moderation übernehmen. Diese Angleichung sei „ein Stück Kulturrevolution“, orakelte ARD-Programmdirektor Günter Struve.

Die vorab gemeldete Ablösung von „Tagesthemen“-Moderator Ulrich Wickert durch den bisherigen Amerikakorrespondenten Tom Buhrow wurde von der Intendantenrunde unter Vorbehalt der Kontrollgremienzustimmung bestätigt. Der Wechsel soll im September 2006 erfolgen. Und Gabi Bauer kehrt nach ihrem gescheiterten Talk-Versuch im Jahr 2003 als Moderatorin zum „Nachtmagazin“ ins Erste zurück und wird sich dort mit Anja Bröker abwechseln.

Sogar Selbstkritik war in der Leipziger Runde zu vernehmen, jedenfalls wenn man ganz genau hinhörte. Die Kontrolle durch die Gremien der neun regionalen ARD-Anstalten sei „nicht optimal“, räumte Vorsitzender Thomas Gruber vom Bayerischen Rundfunk ein. Deshalb will sich die ARD jetzt genauer auf die Finger schauen lassen.

Die Konferenz der Gremienvorsitzenden wird künftig die Kontrolle durch die einzelnen Rundfunk- und Verwaltungsräte koordinieren. Dazu zählen insbesondere die Haushalts- und Finanzplanung sowie Strukturfragen. Nach dem föderalen Prinzip blieben aber die originären Aufgaben der Landesanstalten unberührt, betonte Gruber. Es werde jedoch kein neues Zentralorgan geschaffen. Mit dieser Satzungsänderung will die ARD Gemeinschaftsprojekte besser bewältigen. Sportrechte oder der Einkauf von Filmen und Ausrüstungen werden verstärkt zentral ausgehandelt. Die Landesgremien haben darauf kaum Einfluss.

Unklar blieb, wie im Falle einer Nichteinigung der Landesgremien verfahren wird. Schleichwerbungsskandale wie bei der Bavaria seien aber auch durch diese verbesserte Kontrolle nicht gänzlich zu verhindern, betonten die Intendanten. MDR-Chef Udo Reiter ordnete indessen „wegen der zugespitzten Situation“ an, allen Gerüchten und Indiskretionen um Korruptionsvorwürfe im Haus nachzugehen. Der Bericht der Wirtschaftsprüfer über Schleichwerbung und Vorwürfe gegen den entlassenen Exsportchef Wilfried Mohren verzögere sich indes wegen ausstehender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, hieß es.

Der Gremienvorsitzende Lenze zeigte sich insgesamt zufrieden. Mit der verbesserten Selbstkontrolle habe die ARD „nach der Bewältigung des Schleichwerbeskandals erneut bewiesen, dass sie über ausreichend Selbstheilungskräfte verfügt“. Klingt gut. Aber damit ist längst nicht klar, ob die neue Kontrolle überhaupt Wirkung zeitigen wird.

Neues gab es auch in technischen Fragen: Die ARD will unbedingt beim „Fernsehen in der Hosentasche“, dem unter anderem per Handy empfangbaren terrestrischen DVB-H und DBM dabei sein. Am Rande wurde bekannt, dass man während der bevorstehenden olympischen Winterspiele in Turin diesmal keinen Digitalkanal komplett für denn Sport umwidmen will. Über Sendefenster wird noch verhandelt.