Hamburger Künstler in Griechenland: Check die Wahlkampfbude
Hamburger Künstler schauen sich das Werben um die griechischen Wähler aus der Nähe an. Sie vermissen ein Wort zum Ei als Wurfgeschoss.
„Wenn die Nea Dimokratia gewinnt, müsst ihr Gasmasken mitbringen; wenn Syriza gewinnt, Konserven und Aspirin“, rät ein Freund dem vor der Abreise nach Athen. Wir gehen erst mal davon aus, dass am Montag noch alles erhältlich sein wird. Wir schlendern durch die Athener Innenstadt von einer Wahlkampfbude zur anderen.
Das linke Lager ist unerschöpflich divers. Beim Stand der KKE, der klassischen Kaderpartei, erklärt ein junger Mann, er könne da jetzt nicht individuell Statements abgeben. Das Programm stehe im Netz.
Am Stand der revolutionären Linken Antarsya sitzen junge Leute, die recht beseelt Auskunft geben: Syriza sei „schon o. .k., aber die machen zu viele Kompromisse. Raus aus der Nato, Raus aus dem Euro ist schon das Mindeste.“ Aus den Boxen dröhnen Iggy Pop und Pink Floyd.
Beim Linksbündnis Syriza geht es professioneller zu. Ein luftiger Messebau, fette Beats, grafisch werden geschickt Elemente des Straßenprotests übernommen: Silhouetten von Menschenmengen, Megafone, ausgestreckte Hände wie zur Abstimmung bei Occupy-Protesten.
Bei der Grünen Partei ist niemand zu sehen, die Leute von der gemäßigten Linkspartei Dimar sagen, alle müssten sich nach der Wahl zusammensetzen und einen Weg finden. Der Stand der früher sozialdemokratischen Pasok gleicht einem Beauty-Salon. Dezente Grüntöne, Bilder vom „der Dicke“ gerufenen Spitzenkandidaten Venizelos. Warum man Pasok wählen soll? Die erste Antwort lautet unwirsch: „Warum nicht.“
Für die rechten Parteien gibt es Wichtigeres als den wirtschaftlichen Abgrund: die „illegalen“ Einwanderer. Die rechtsradikale Laos ist stolz, dass die militanten Faschisten der Goldenen Morgenröte ihr Wahlprogramm abgeschrieben haben – man selbst sei natürlich friedliebend. Die Unabhänigigen Griechen, die kleinbürgerliche Abspaltung der Nea Dimokratia, baut bei der Lösung des „Problems“ auf die EU. Die konservative Nea Dimokratia selbst, laut Umfragen angeblich in Führung, zeigt die kalte Oberfläche der Macht: protziger Pavillon vor dem Parlament, Dreitagebarttypen mit Ray-Ban-Brillen, Ladys mit teuren Frisuren.
Wie an allen Ständen wird uns auch hier erzählt, das Memorandum müsse nachverhandelt werden. Dafür wurde Syriza noch vor ein paar Monaten als Landesverräter gebrandmarkt. Am Abend gehen wir zum zentralen Omonia-Platz, zur Abschlussrede des Syriza-Wahlkampfes von Alexis Tsipras. Eine diverse Fahnenlandschaft zeigt eine Partei der sozialen Bewegungen, die medial sehr gut choreografierte Dramaturgie eine Volkspartei.
Unterschiedliche Musik unterstreicht das: eine aktualisierte Version von Bella Ciao, Bruce Springsteen, die aufständische Ecke bewegt die Hüften zu The Clash. Die Klaviatur des gemeinsamen Nenners wird mit Manu Chao angeschlagen. Tsipras begrüßt Aktivisten aus Argentinien, Türkei, Venezuela, Portugal, Irland, Spanien und von Occupy.
Hat er das gekochte Ei gegen das Schild der deutschen Botschaft in Athen vergessen? Dass sich der Syriza-Abgeordnete Lafazanis im Februar für unsere Freilassung aus dem Polizeipräsidium einsetzte, in das wir wegen des Wurfs geraten waren? Worte gegen die Angst schallen über den Platz. Tsipras ruft: „Für den historischen Umsturz“, und verabschiedet sich. Einer von uns kann ihn abfangen und fragen, wieso er uns nicht begrüßt hat. Er bringt ein entschuldigendes „Ich wusste nicht, dass ihr hier seid“ über die Lippen.
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