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Archiv-Artikel

Geschäftsleute fahren Bahn, Kurzentschlossene nehmen den Bus

SCHWEDEN Vor zehn Jahren wurde der Fernbusverkehr liberalisiert. Das ging nicht, wie befürchtet, zulasten der Schiene, denn die Bahn hat ihre Angebote verbessert

Die Busse haben ihre Nische gefunden, vor allem aufgrund der Preise. Sie liegen im Schnitt etwas unter dem Bahnpreis

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Zunächst sah es tatsächlich so aus, als werde es zulasten der Bahn gehen. Als 1999 der Fernbusverkehr in Schweden fast vollständig liberalisiert wurde, brach zwischen einzelnen Zielorten, auf denen beide Systeme parallel verkehrten, ein Konkurrenzkampf aus, bei dem die Bahn den Kürzeren zu ziehen schien. Jedenfalls bei Distanzen zwischen 200 und 300 Kilometern und solchen Strecken, auf denen die Schiene nur einen bescheidenen Zeitgewinn gegenüber dem Bus brachte.

Doch Statens Järnvägar, die staatliche schwedische Bahn, bekam die Situation schnell in den Griff – kurzfristig mit Preissenkungen, längerfristig mit besseren Angeboten. Doch die Busse haben ihre Nische gefunden, vor allem aufgrund der Preise. Sie liegen im Schnitt etwas unter dem Bahnpreis, wobei ein exakter Vergleich wegen unterschiedlicher Preissysteme schwer ist. Für Frühbucher etwa ist eine Bahnreise auf der 450 Kilometer langen Strecke zwischen Stockholm und Göteborg für umgerechnet 10 Euro zu haben. Zwei, drei Tage vor Abfahrt gebucht, können es jedoch 40 bis 80 Euro werden, während es Last Minute am Abfahrtstag wieder 15 Euro kostet – falls es noch freie Plätze gibt. Die Busreise wird zu einem Festpreis von 25 bis 30 Euro verkauft, dauert aber doppelt so lange wie eine Zugreise.

Vielreisende und Geschäftsleute bevorzugen weiterhin die Bahn. Busse werden von Spontanreisenden und vorwiegend jüngeren Menschen benutzt. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Busreisenden um 2 bis 3 Prozent jährlich, bei der Bahn lag diese Rate um das Dreifache höher. Bahnen und Busse zusammengenommen steigerten ihren Anteil am Markt, und Analysen deuten darauf hin, dass das zulasten des individuellen Verkehrs ging. Ganz sicher könne man hierbei wegen der Veränderung des gesamten Reisemarkts jedoch nicht sein, sagt Henrik Edwards, Transportanalytiker bei der staatlichen Verkehrsbehörde Vägverket. Möglicherweise reisten die Leute krisenbedingt auch weniger, „aber es scheint so, als ob diese beiden Transportmittel begünstigt werden“.

Wenn auch leicht rückläufig, dominiert der individuelle Verkehr klar bei Reisen über 100 Kilometer. Während die Bahn ihren Anteil in den letzten zehn Jahren vor allem auf Kosten des Flugverkehrs um fast die Hälfte auf 16 Prozent hochschrauben konnte, pendelt der Fernbusverkehr fast unverändert bei rund 5 Prozent. Wobei hiervon allerdings nur ein Teil auf den Verkehr entfällt, der mit der Schiene konkurriert. So hat die Mehrzahl der 100 Fernbusse, die Stockholm täglich verlassen, Ziele, die entweder gar nicht oder nur auf Umwegen mit der Bahn zu erreichbar sind. Prognosen rechnen bis 2020 mit dem Anstieg des Personenverkehrs auf der Schiene mit 40 bis 50, des Fernbusverkehrs um rund 10 Prozent.

Die Liberalisierung des Fernbusverkehrs in Schweden war schrittweise erfolgt. Bis 1988 musste die Staatsbahn den Bedarf für einen Busverkehr befürworten, sollte dieser genehmigt werden. Später musste das jeweilige Busunternehmen beweisen, dass es die Bahn nicht gänzlich verdrängt, ab 1993 lag die Beweislast bei der Bahn. Auch nach der Liberalisierung können die regionalen Gebietskörperschaften den Bussen die Bedienung von Teilstrecken verbieten, sofern das dem eigenen Regionalverkehr schaden könnte.