: „Das Ziel verfehlt“
Seit 2002 existiert der Globale Aidsfonds der UNO. Kritiker werfen ihm vor, das unkoordinierte Nebeneinander von Hilfsprogrammen weiter zu stärken
von DOMINIC JOHNSON
Drei Millionen Menschen sterben jedes Jahr auf der Welt an Aids, fünf Millionen infizieren sich neu mit dem HI-Virus. Mehr Geld für die Prävention von HIV-Infektionen und die Behandlung von Aidskranken sowie bessere internationale Koordination – all dies wird seit Jahren zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember von Aidsbekämpfern weltweit gefordert. Nun wird allmählich deutlich: Auch wenn es mehr Geld und bessere Koordination gibt, stellen sich die Erfolge nicht von selbst ein.
Der Globale Fonds der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria sollte bei seiner Gründung Anfang 2002 erstmals einen internationalen Rahmen für die Aidsbekämpfung liefern. Nach knapp vier Jahren Arbeit ist die Fondszentrale in Genf mit sich zufrieden: Zusagen von 8,6 Milliarden Dollar für den Fonds bis 2008 wurden seit 2001 gemacht; 4,4 Milliarden Dollar hat der Fonds selbst bisher an Projekthilfen zugesagt und davon 1,7 Milliarden Dollar bereits zur Verfügung gestellt – davon 56 Prozent gegen Aids und jeweils 26 und 14 Prozent gegen Malaria und Tuberkulose. Die jüngste Zusage erfolgte diesen Montag: 33,9 Millionen Dollar über fünf Jahre für Ruanda, „einen der erfolgreichsten Nutzer der Gelder des Globalen Fonds“, wie es in der Presseerklärung heißt.
Doch die WHO und die UN-Aidsbekämpfungsorganisation Unaids schätzen den Finanzbedarf für die internationale Aidsbekämpfung bis 2007 auf 18 Milliarden Dollar, dazu 4,2 Milliarden für den Kampf gegen Tuberkulose und 3,1 Milliarden für den Kampf gegen Malaria. Der Fonds wächst – aber nicht schnell genug. Für 2006 und 2007 wurden auf dem jüngsten Fondsgipfel in London im September nur 3,7 von 7,1 Milliarden gewünschten Dollar zugesagt. Die Organisation warnte: „Die jetzt aufgebrachten Ressourcen reichen nicht, neue Programme komplett zu finanzieren.“
Die Besonderheit des Fonds ist, dass er nicht selbst Aidsbekämpfungsprogramme unternimmt, sondern sie lediglich finanziert. Eine vereinheitlichte Bürokratie soll regeln, wer jeweils Fondsgelder bekommt und was damit geschieht. Die Verwendung der Gelder wird regelmäßig und genau überprüft. Das führt dazu, dass Ungereimtheiten schnell aufgedeckt werden können – wie im Fall Uganda (siehe Text unten).
Aber unabhängige Beobachter weisen auf Konstruktionsprobleme hin. So bemängelt das „Aktionsbündnis gegen Aids“, das im September in Genf über die Stärkung regierungsunabhängiger Strukturen im Fonds beriet, dass dieser viel zu viele Anträge ablehne. Nur 31 Prozent der eingereichten Anträge würden gebilligt, was bedeute, dass in vielen Ländern zu wenig Informationen über die genaue Funktionsweise des Fonds vorliegen. Außerdem werde die Prüfung der Fondsgelder-Verwendung von internationalen Management-Consultingfirmen ohne lokale oder Aids-spezifische Erfahrung vorgenommen.
Keith Bezanson, der im Auftrag des Fonds eine Studie über die Problematik seiner Ausweitung erarbeitet hat, wies darauf hin, dass die Existenz des Fonds die Rhetorik über verstärkte internationale Koordination der Aidsbekämpfung sogar in ihr Gegenteil verkehre. Denn neben dem Globalen Fonds gibt es die UN-Aidsbekämpfungsorganisation Unaids, die Weltgesundheitsorganisation WHO, die Aidsbekämpfungsprogramme der Weltbank und die Aidshilfen der US-Regierung – ganz zu schweigen von den Privatinitiativen unzähliger Wohltäter und Hilfswerke. Jedes dieser Programme arbeitet alleine vor sich hin. Selbst die Vereinheitlichung auf UN-Ebene – dass es pro Land nur ein einziges, dafür aber umfassendes Aidsbekämpfungsprogramm unter einer einzigen Behörde geben sollte – werde durch die Arbeitsweise des Fonds untergraben. „Statt in Richtung Zusammenführung zu gehen, beschreiten wir eventuell den entgegengesetzten Weg“, so Bezanson.
Die „International Treatment Preparedness Coalition“ (ITPC) – ein internationales Bündnis von Nichtregierungsorganisationen in der Aidsbekämpfung – hat nun zum Welt-Aids-Tag in einem Bericht unter dem Titel „Das Ziel verfehlt“ einen „viel systematischeren Ansatz“ gefordert, um „ein besser funktionierendes globales System“ aufzubauen. Der Globale Fonds brauche zwar mehr Geld von den reichen Industrienationen, aber er müsse auch die „zahlreichen Verzögerungen oder sogar Blockaden“ beim Einsatz seiner Gelder überwinden. Afrikanische Regierungen müssten ihre Gesundheitsetats erhöhen, aber die internationalen Geldgeber dürften dies nicht länger durch Forderungen nach Reduzierung der Staatsausgaben konterkarieren. Die US-Regierung solle ihre Aidshilfen durchaus weiter ausbauen, aber müsse aufhören, diese an die Einhaltung konservativer moralpolitischer Vorgaben zu knüpfen. Die WHO verfolge zwar weiterhin das richtige Ziel, immer mehr Kranken Zugang zu Aidsmedikamenten zu ermöglichen – aber was sie genau mache, wüssten die meisten Empfängerländer gar nicht. Und Unaids müsse nicht nur Lobbyarbeit für mehr Aidsbekämpfung betreiben, sondern auch Probleme innerhalb des UN-Systems ansprechen.