: Hat noch jemand Nachbrenner?
REDEN IM BÜRO Stefan Landorfs Filmessay „Besprechung“ untersucht, was bei Konferenzen passiert. Morgen hat er Premiere in der Volksbühne
Arbeit wird immateriell. Mehrwert entsteht nicht länger an der Stanze, am Fließband oder im Walzwerk, sondern durch Kommunikation. Für Dokumentarfilmer, die Arbeit als visuelles Spektakel auf die Leinwand bringen wollen, ist das keine gute Voraussetzung. Eine Fabrik macht etwas her, ein Büro dagegen ist fade. Stefan Landorf hat trotzdem versucht, das Immaterielle anschaulich zu machen. Sein Filmessay „Besprechung“ erfasst die Veränderungen in unserer Arbeitswelt, indem er sich mit Konferenzsituationen in verschiedenen Unternehmen und Institutionen beschäftigt. Unter anderem besucht der Regisseur die Kindernothilfe in Duisburg, den Pharmakonzern Glaxo Smith Kline in München, eine Kaserne in Neubrandenburg und den Sitz des Bundesverbands der Deutschen Industrie in Berlin. Wo immer er hinkommt, müssen die Angestellten und die Führungskräfte miteinander reden, und sie tun dies, das merkt man recht schnell, in einem je eigenen Jargon sowie in stark ritualisierten Abläufen.
„Besprechung“ zollt der Sprache, den Floskeln und den Phrasen viel Aufmerksamkeit. Bevor Landorf filmt, was an den Konferenztischen vor sich geht, lässt er die Akteure einzelne Sätze frontal in die Kamera sprechen. Die Konferenzen selbst werden unterbrochen von Szenen, in denen Schauspieler nachsprechen, was die Konferenzteilnehmer sagen. Währenddessen schieben sie bunte Stellwände durch einen großen, von Glasflächen umgrenzten Raum. Sichtflächen entstehen und werden geschlossen, manchmal geht der Blick nach draußen, ins begrünte Bürohausareal.
Durch den festgelegten Ablauf hat der Film selbst etwas Formalisiertes, Ritualisiertes. Dass man den jeweiligen Jargon nicht versteht oder nicht weiß, worum genau es bei einer Telefonkonferenz zwischen London, Frankfurt und Mumbai geht, fällt nicht ins Gewicht. Gerade weil die Sätze zu Zeichen ohne Sinn werden, schärft sich das Gehör für die Modalitäten der Sprache, schärft sich der Blick für die Details, für Gesten, Inszenierungen und die Art und Weise, wie Hierarchien hergestellt werden.
In Duisburg, bei der Kindernothilfe, zum Beispiel sind die Möbel im Verhandlungsraum aus hellem Holz, der Kleidungsstil der Angestellten ist leger, der Kaffee wird aus großen, bunten Bechern getrunken, mehr Frauen als Männer sitzen am Tisch. Alles deutet auf flache Hierarchien und unverkrampfte Umgangsformen hin, doch zugleich spürt man, dass in dieser Sitzung etwas hakt, dass sich eine Unzufriedenheit, eine Unzulänglichkeit artikuliert. Bei den Unternehmen der freien Wirtschaft ist das anders, dort scheinen die Sätze ohne Reibung ineinanderzugreifen, vielleicht, weil alle Konferenzteilnehmer verinnerlicht haben, welchen Platz in der Hierarchie sie besetzen und wie sie sich zu verhalten haben. Bei der Bundeswehr führt der Oberst die Besprechung so straff, dass klar wird: Widerworte sind undenkbar. „Haben Sie noch Nachbrenner?“, fragt er am Ende der Sitzung. „Wenn nicht, dann wünsche ich Ihnen eine arbeitsame Woche.“ CRISTINA NORD
„Besprechung“: 7. 1., 21 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz