Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Demonstrierende Massen, erfolgreiche Politiker und solche, die sich während ihres Machverlusts lächerlich machen (wie etwa ein lettischer Lokalpolitiker, der sein Büro mit Sandsäcken angeblich gegen die Rache aus Moskau abzuschirmen versucht) – Bilder des Umbruchs, wie es im Text zu „Sekunden, die Geschichte wurden. Fotografien vom Ende des Staatssozialismus“ heißt. Es sind immer wieder die gleichen Bilder, die Harald Schmitt, Fotoreporter des Stern-Magazins geschossen hat. Jeder Augenblick wichtig, großartig, entlarvend – und Schmitt immer im richtigen Moment dabei, selbst wenn die russische Regierung ihm zunächst die Einreise versagte. Anscheinend wartete der Moment wieder einmal auf Schmitt. Und während man im ersten Stock im Martin-Gropius-Bau an den 120 Fotografien, die in der DDR, Polen oder Litauen entstanden sind und vom Untergang des Ostblocks zeugen, vorbei schreitet, kommen Zweifel auf. Ein Video gibt den Hinweis: Am liebsten hätte es Schmitt, wenn die Bildunterschriften genau erörtern, wann, wo und wie das Bild entstanden ist. Dokumentatarfotografie ausgeschlachtet zur Schlagzeile. Die Fotografin Barbara Klemm kommt im Rahmen von „Helldunkel. Fotografien aus Deutschland“ im Willy-Brandt-Haus ebenfalls selbst zu Wort, nur spricht sie von Situationen, in denen sie vorsichtig ihre Möglichkeiten abtastet. Die gezeigten Schwarzweiß-Aufnahmen sind in beiden Deutschlands von den frühen Siebzigern bis heute entstanden. Nie geht es um den entscheidenden Moment. Denn das wissen wir: der wird eh nur gemacht, um etwas zu verkaufen. Klemm geht es um Prozesse. So sind die Bilder zeiten- und länderübergreifend in kleine Serien geordnet: friedlicher Widerstand, Politiker, Alltagsleben. Serien, an denen sich die Augen festheften, die man studieren möchte, um Zusammenhänge zu verstehen.

■ Harald Schmitt: „Sekunden, die Geschichte wurden“; bis 18.1., Mi-Mo,10--20 Uhr, Eintritt frei, Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7 ■ Barbara Klemm „Helldunkel. Fotografien aus Deutschland“, bis 15.01., Di-So, 12-18 Uhr, Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28