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Archiv-Artikel

„Eigentlich ein sehr deutsches Gemüse“

Heribert Haarmann aus Werl hat gerade viel zu tun: Nach dem ersten Frost ist Hochsaison bei der Grünkohl-Ernte. Der Landwirt erklärt die Lage am Markt und warum Grünkohl mit Rübenkraut noch viel besser schmeckt

taz: Herr Haarmann, wie wird denn dieses Jahr die Grünkohl-Ernte?

Heribert Haarmann: Die wird eigentlich, so weit man das bisher sehen kann, recht gut. Nur der früh gepflanzte Grünkohl hat etwas gelitten durch den warmen Herbst. Dadurch hat er etwas mehr gelben Blattanteil, so dass man wohl 10 bis 15 Prozent vom Ertrag abschreiben muss – aber nur beim früh Gepflanzten.

Schmeckt der Grünkohl eigentlich immer gleich oder gibt es da gute und schlechte Jahrgänge wie beim Wein?

Eigentlich schmeckt der immer gleich. Das hat mit dem Jahr nichts zu tun, sondern wie man ihn zubereitet.

Man sagt ja, Grünkohl – wie auch der Rosenkohl – schmeckt erst nach dem ersten Frost. Wieso ist das so?

Das ist so, weil die Blattstruktur etwas lockerer und geschmeidiger wird. Der Hauptgrund ist aber, dass durch den Frost ein Teil der Kohlehydrate zu Zucker umgebaut wird. Der Zuckergehalt im Grünkohl erhöht sich dabei zum Teil um das Doppelte. Manche sagen, das kann man auch durch die Kühltruhe erreichen, aber das haut nicht hin. Und einige Züchter sagen, bei den heutigen Züchtungen seien die Bitterstoffe gar nicht mehr so extrem, man könne den Grünkohl deshalb auch vor dem Frost essen. Aber wir selber essen ihn lieber, wenn er Frost gehabt hat.

Aber kaufen kann man ihn doch schon vorher.

Ja, im Großmarkt wird der Grünkohl schon ab Oktober nachgefragt – und dann verkauft man ihn natürlich auch.

Wann war denn bei Ihnen der erste Frost?

Letzte Woche.

Und danach haben Sie mit der Ernte angefangen?

Nein, schon früher, aber es wird jetzt mehr verkauft. Vorher haben wir nur an gewisse Kunden geliefert, die den Grünkohl schon im Programm hatten. Jetzt durch den Frost brummt es.

An wen verkaufen Sie denn Ihren Grünkohl und wie viel bekommen Sie dafür?

Wir verkaufen unseren Kohl an Händler auf dem Großmarkt Dortmund. Die Preise sind in den letzten Jahren eigentlich immer gleich geblieben: Für küchenfertig geschnittenen Grünkohl gibt es pro Kilo etwa einen Euro, und wenn er lose am Strunk ist, etwa 40 bis 60 Cent.

Können Sie davon leben?

Nur vom Grünkohl nicht. Aber der gehört in unserer Palette mit dazu. Wir machen ja in unserem Betrieb sehr viel Weißkohl.

Der rentiert sich besser?

Für uns, ja. Der Grünkohl läuft eben mit da durch.

Wer kauft heute überhaupt noch Kohlgemüse? Ist das nicht völlig out?

Ich würde sagen, Grünkohl kaufen eher die älteren Leute. Die Jüngeren greifen mehr auf Fertigprodukte zurück. Und Kohlgemüse werden jetzt wohl vermehrt von Gaststätten angeboten, die „altes“ Gemüse wieder neu auflegen. Das hört man immer öfter. Und weil wir sehr viel Weißkohl machen, haben wir auch sehr viele türkische Leute und Russlanddeutsche als Kunden. Aber Grünkohl kaufen die weniger.

Das ist schon ein sehr deutsches Gemüse, oder?

Ja, (Pause) – eigentlich schon.

Wie essen Sie Ihren Grünkohl am liebsten?

So wie meine Frau ihn kocht (liest vor): „Grünkohl in Brühe angekocht, dazu Zwiebeln mit Schmalz, Kohlwurst, circa eineinhalb Stunden kochen und zum Schluss einen Esslöffel Rübenkraut unter rühren. Das gibt eine schöne Farbe und einen leckeren Geschmack.“

Das klingt sehr gut.

Schmeckt auch gut.INTERVIEW: SUSANNE GANNOTT