MERKEL IN WARSCHAU: DAS TREFFEN ZÄHLT, NICHT SEINE INHALTE : Vorsichtige Annäherung
Das Wichtigste an diesem Antrittsbesuch ist der Termin. Hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel – wie wohl erwogen – gleich zu Beginn ihrer Kanzlerschaft neben Paris und Brüssel auch Warschau einen Besuch abgestattet – die neue Regierung von Kazimierz Marcinkiewicz hätte ein Problem gehabt. Wie auf das positive Signal von Merkel reagieren, ohne diese zu brüskieren oder im eigenen Lager als Verräter polnischer Interessen dazustehen? Welche Themen ansprechen, ohne zu zeigen, wie wenig substanziell die eigenen außenpolitischen Vorstellungen sind?
So findet Merkels Staatsbesuch in Polen einige Tage nach Paris und Brüssel statt, aber – auch das gehört zum richtigen Termin – noch vor einem Antrittsbesuch in Moskau. Das gibt der polnischen Seite Grund zur Annahme, dass es Merkel ernst meint mit ihrer Ankündigung, künftig mehr Distanz zu Moskau an den Tag zu legen. Merkel wiederum kann die Versicherung von Marcinkiewicz, seine Regierung sei weder antideutsch noch antieuropäisch, als Hinweis auf eine verlässliche Partnerschaft werten.
Weniger die Inhalte der Gespräche stehen demnach im Mittelpunkt der Stippvisite, sondern die Tatsache, dass diese überhaupt stattfindet. Viel spricht deshalb für die Annahme, dass strittige Fragen zunächst ausgeklammert werden. Dass Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung das Zentrum gegen Vertreibungen nicht explizit erwähnte, wurde in Polen mit Erleichterung aufgenommen. Auch an der umstrittenen Gasleitung durch die Ostsee wird der Staatsbesuch nicht scheitern. Hinterher werden alle sagen, was man in Momenten wie diesen sagt: Die deutsch-polnischen Beziehungen sind gar nicht so schlecht. Und: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Ob das stimmt, wird sich erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Dann nämlich, wenn feststeht, ob es wie bisher mit Gesine Schwan und Irena Lipowicz zwei Koordinatorinnen für deutsch-polnische Beziehungen gibt. Oder bei der Frage, ob der neue polnische Staatspräsident Lech Kaczyński mit seinem deutschen Kollegen Horst Köhler zur feierlichen Beendigung des deutsch-polnischen Jahrs zusammen kommt. UWE RADA