Leuchtturm aus Glas

Hamburg bekommt im Zentrum der Stadt ein Kulturzentrum à la Centre Pompidou. Der Neubau fügt sich in eine Kette von Projekten, mit denen die Stadt in die 2. Liga der Metropolen aufrücken will

von Gernot Knödler

Bürgerstolz in Bauten auszudrücken, hat in Hamburg Tradition. Jeder, der einmal das 1897 fertig gestellte Rathaus mit seinen tonnenschweren Kronleuchtern, Deckengemälden und Ledertapeten besucht, kann das sehen. Umso erstaunlicher, dass einer der prominentesten Orte der Stadt, der Domplatz, seit dem Zweiten Weltkrieg mit einem Parkplatz belegt ist, der nicht einmal geteert wurde. Das soll sich ändern: Der Architektenwettbewerb für ein spektakuläres Kulturzentrum nach dem Vorbild des Centre Pompidou in Paris ist entschieden. Wenn alles glatt geht, kann der Senat 2009 ein neues Foto in die Broschüren drucken, mit denen er Investoren aus aller Welt umwirbt.

Der Senat, der seit Februar 2004 allein von der CDU gestellt wird, hat sich vorgenommen, die Stadt in Zeiten allgemeiner Stagnation wachsen zu lassen. Seither redet er von „Leuchttürmen“, die es im übertragenen Sinne zu errichte gelte – auf dass der Glanz Hamburgs weithin zu sehen sei, und Firmen und kluge Köpfe aus aller Welt herbeigelaufen kommen, um sich hier niederzulassen. Um im Wettbewerb mit anderen Metropolen der zweiten Liga – Barcelona, Mailand, Rotterdam – mithalten zu können, muss etwas geboten werden wie die Hafencity, eine Innenstadt-Erweiterung auf Ex-Hafengelände, die kürzlich beschlossene Elbphilharmonie oder jetzt der„gläserner Diamant“ auf dem Domplatz.

Denn der Neubau wird sich über den Resten der „Hammaburg“ aus dem 9. Jahrhundert erheben, die der Stadt den Namen gegeben hat. Die Archäologen des Helms-Museums, die sich zurzeit durch die historischen Schichten buddeln, werden einige ihrer Ergebnisse in dem neuen Gebäude präsentieren: Auf einem Teil des Unter- und Erdgeschosses soll ein Schaufenster der Archäologie entstehen, das Hamburgern und Touristen einen Einblick in die Vergangenheit gewährt.

Einziehen sollen außerdem die Landeszentrale für politische Bildung, ein Bürgerschaftsforum für Veranstaltungen des Landesparlaments und eine neu konzipierte Zentralbibliothek mit mehr als 400.000 Medien in 25 Sprachen. „Wir wollen eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts hier haben“, sagt Kultursenatorin Karin von Welck (CDU) und nennt dabei als Vorbilder ähnliche Einrichtungen in Seattle und Singapur. Sie träumt von einem offenen Ort, um sich zu treffen und zu lernen. Bibliotheksräume, die sich zu einem asymmetrisch-trichterförmigen Innenhof öffnen, sollen das ermöglichen.

Die Planer hoffen, dass dieses Gebäude von allein Scharen von Besuchern anziehen wird. Zugleich liegt es auf einem Bogen, der vom Zentrum der Hafencity mit Kreuzfahrt-Terminal, Science-Center und Marinemuseum (teils geplant, teils im Bau) zum Jungfernstieg reicht. Er führt direkt durch eine 430 Millionen Euro teure Einkaufspassage, die gerade gebaut wird.

Damit sich der Domplatz in dieser Reihe starker Orte behaupten kann, hat eine Jury aus Vertretern der Stadt und der Investoren einen knalligen Glasbau der Münchener Architekten Auer und Weber ausgewählt, der sich scharf von der benachbarten Kirche St. Petri und dem Zeit-Gebäude am Speersort abhebt. Als Diamant gilt er nicht wegen der 40 Millionen Euro Baukosten, sondern weil er auskragende Wände hat und ein flach, aber spitz zulaufendes Dach.