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Archiv-Artikel

Komplexer Kontrast

FILM In ihrer Dokumentation „abortion democracy: poland – south africa“ zeigt die Journalistin und Autorin Sarah Diehl zwei ganz unterschiedliche gesellschaftliche Umgangsweisen mit Abtreibung – und ihre Folgen

Dass mit einem liberalen Gesetz allein noch nicht viel getan ist, macht der Film ebenfalls deutlich

VON ROBERT MATTHIES

Die Entwicklungen könnten unterschiedlicher nicht sein. In Polen, wo er gesetzlich erlaubt war, wurde der Schwangerschaftsabbruch 1993 nach wachsendem Einfluss der katholischen Kirche kriminalisiert. Nur bei medizinischer und embryopathischer Indikation oder wenn die Schwangerschaft Folge einer kriminellen Handlung ist, können Frauen in Polen noch legal einen Abbruch vornehmen. In Südafrika scheint die Entwicklung umgekehrt zu verlaufen. Dort ist der Abbruch seit 1996 nach einer Gesundheitsreform in Folge einer Überprüfung des Rechtssystems auf diskriminierende Gesetze gegen Minderheiten legal, das entsprechende Gesetz eines der liberalsten weltweit.

In ihrer Dokumentation „abortion democracy: poland – south africa“ untersucht und kontrastiert die Berliner Journalistin und Autorin Sarah Diehl die Entwicklungen in beiden Ländern. Und macht deutlich, wie der legale Status von Frauen mit Demokratisierungsprozessen und dem gesellschaftlichen Umgang mit Frauenrechten zusammenhängt. Perspektiven von Frauen sucht man in polnischen Medien und gesellschaftlichen Debatten vergeblich, in Südafrika werden sie in öffentlichen Anhörungen im Parlament erörtert.

Dass mit einem liberalen Abtreibungsgesetz allein noch nicht viel getan ist, macht „abortion democracy“ jedoch ebenfalls deutlich. Und illustriert die paradoxe Situation, dass die Implementierung entsprechender Regelungen nicht notwendig auch den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen erleichtert. So sind in Polen illegale Abtreibungen relativ leicht zugänglich und relativ sicher, während für südafrikanische Frauen der Zugang zu den richtigen Informationen und Dienstleistungen oftmals noch durch die Vorurteile der Mediziner erschwert wird.

Was vielmehr in all den Interviews mit Aktivistinnen, Gesundheitspersonal und betroffenen Frauen deutlich wird: Der Zugang zu sicheren und legalen Abbrüchen steht in Zusammenhang mit einer Vielzahl ökonomischer und sozialer Zwänge, Moralvorstellungen, der Durchsetzung von Bürgerrechten und Auffassungen über die Reproduktionsarbeit von Frauen. Nur ein fundamentaler Wandel wird die erschreckende Zahl kleiner werden lassen: Jedes Jahr sterben etwa 80.000 Frauen weltweit an den Folgen unsicherer Schwangerschaftsabbrüche.

■ Do, 7. 1., 19 Uhr, 3001, Schanzenstraße 75 (im Hof)